9. GROßER PREIS DER PARKSTADT WÖRLITZ
11. September 2021
Prolog
 
9/11 - ein Tag im September... Als am 9. September 2001 die Türme in New York einstürzten, dachte in Wörlitz niemand an ein Radrennen in der Parkstadt. Nachdem es dort schon zu DDR-Zeiten in den 1960ern immer wieder Rennen gab, erlebte der Radsport an der Mittelelbe erst in jüngerer Vergangenheit 2012 eine Auferstehung. Nach der achten Austragung folgte der Dämpfer mit dem Rückzug des RSC Wörlitz aus der Organisation. Die Ex-Friedensfahrer Peschel, Töpfer und Milde sowie Zeitfahrweltmeister Grabsch gaben das letzte Geleit. Doch am heutigen Sonnabend, auf den Tag genau zwanzig Jahre nach den Terroranschlägen in Manhattan, sorgte der SV Grün-Weiß Wittenberg-Piesteritz nach dem Ende der Pandemie für eine Wiederbelebung auf neuer Runde.
.:: DIE STRECKE ::.
Der GP von Wörlitz fand in diesem Jahr auf einem brettflachen 1000-Meter-Rundkurs südlich des Gartenreichs „Wörlitzer Park“ statt. Vom Bahnhof ging es linksrum über Bahnhofstraße, Bergstückenweg, Querstraße und Mühlweg zurück zum Bahnhof. Dreißigmal überquerten die Fahrer den Zielstrich vorm Bahnhof, bevor das Rennen endete. Eine Streckenführung durch eine Wohnsiedlung ist gut für Zuschauer, aber nicht ungefährlich. Enge Straßen, vier tückische Kurven (in der Summe 120!), abgepolsterte Laternenmasten, Schleusendeckel, Absperrgitter an der Zielgeraden, kaum Überholmöglichkeiten: Wenn es dann noch regnet - Gute Nacht!
.:: DAS RENNEN ::.
In der abgelaufenen Woche mußte ich zwei Rückschläge einstecken. Am vergangenen Sonntag hatte mir eine Kollision im Massensprint einen vorderen Platz beim Heideradcup in Torgau zerstört. Und dann war ich am Mittwoch auf neuen Schlauchreifen in einem Kreisel ausgerutscht. Folgen des Sturzes waren Blessuren an Schulter, Hüfte, Oberschenkel und Knie und ein verstauchtes Handgelenk. Sechs Tage nach Torgau (und drei nach dem Sturz) führten die Wege erneut elbabwärts - diesmal noch ein Stück weiter als Torgau, zu Sachsens Nachbarn ins Anhaltische. Nach zwei Stunden über die Autobahnen 4, 14 und 9 hatte Peanut mich zur Mittagsstunde in die zwischen der Lutherstadt Wittenberg und der Bauhausstadt Dessau gelegene Wörlitz kutschiert. Ein Anwohner überließ uns seinen Hof als Stellplatz. Das Feld der Master 2 und 3 stand schon in den Startlöchern. Wenig später zog der ehemalige Deutsche Meister Kopf als Solist davon - um schon bald das komplette Feld zu überrunden. Ralf „Kelli“ Keller, dem ich viel Erfolg gewünscht hatte, lag weit hinten. Ich war wieder unter Kettenhunden...
Nach Verzicht auf die Einführungsrunde erfolgte mit fünf Minuten Verspätung kurz nach 13 Uhr vorm Wörlitzer Bahnhof - einer verfallenen, hutzeligen Ziegelhütte, die irgendwann im vorigen Jahrhundert eine Lokomotive sah - der START für die Masters 4. Kampfrichter war erneut Herr Lohr. Da es die üblichen Widersacher waren, die sich Woche um Woche richtig einen einschenken, entwickelte sich das Rennen nach Ansage. Vom ersten Meter an entbrannte ein zähes Ringen um jede Position. Keiner zog auch nur einen Moment zurück. Und dies dreißig Runden lang mit vierzig Klamotten. Jeder Überholvorgang auf den engen Straßen barg ein hohes Risiko. Entweder man entging dem Streß und fuhr offensiv vorn im Wind, oder pokerte hinten geduldig auf eine Chance im Sprintfinale. Die schlechteste Position war die Mitte. Denn dort raubten einem die Rangeleien Lenker an Lenker jede Energie. Nach meinem Sturz vor drei Tagen galt es für mich, neues Vertrauen ins Material zu gewinnen und die ersten Runden zu überleben. Nach fünf am Schwanz des Feldes war ich drin und arbeitete mich zur Rennmitte nach vorn - schraubte angesichts eines neuerlichen Sturzes, und nachdem ich fast in die Streckenbegrenzung gedrängt wurde, jedoch recht schnell die Drehzahl und den Adrenalinspiegel wieder runter, und ließ mich ans Ende fallen. Auch dem Heidenauer Schößler schien dies nach zwei aussichtslosen Attacken die beste Option. „Wie die fahren!“, dessen resignierender Fluch. So mündete das Rennen in einen Sprint von zwanzig Fahrern. Zwei Runden vorm ZIEL waren Hektik und Nervosität am Anschlag. Ich rechnete mit einem Knall. Doch der blieb wie durch ein Wunder aus. Auf der Zielgeraden öffnete sich ein Türchen in der Innenkurve. Hier konnte ich im Endspurt fünf niedermachen und als Zwölfter für die Rangliste punkten. Aber Mittelmaß war nie das Ziel. Zum dritten Sieg in meiner Gegenwart sprintete der kleine Gütersloher Fromberg. Direkt nach dem Rennen zog ein Schauer über Wörlitz.
Finale
 
Im Ziel folgten Plaudereien. Unser „Gastgeber auf Zeit“ erzählte von seinem Vater, der in grauer Vorzeit mit dem legendären „Täve“ Schur das Kultrennen Rund um die Hainleite gefahren war. „DAS WICHTIGSTE IST, DAß MAN MORGENS DIE AUGEN AUFMACHT“, lautete dessen philosophischer Kommentar angesichts des heutzutage so gefährlichen Radsports. Anwohner bewaffnet mit Bier, Rotkäppchensekt und Fanfare säumten die Strecke und sorgten für eine klasse Stimmung. Einer streifte sich beim Anblick von Peanuts Motörhead-Nicki kurzerhand eines von AC/DC über. Ein anderer wog staunend mein Rennrad. Der abseits des Rennens wie ein verrotteter Eremit wirkende Pedalritter Backhaus machte sich in seinem zwei Nummern zu großen Leibchen auf den Heimweg nach Hannover. Aufarbeitungen des Vorfalls in Torgau vor einer Woche folgten. Meinen Hinweis aufs unachtsame Fahren eines Gegners im Massensprint befriedete der honorige Kampfrichter Lohr mit einem „Appell an die Fairness“. Mehr konnte er nicht tun. „Grossi“ Großegger tat die Welle sichtlich leid. Er hatte „nur krachendes Carbon gehört, wußte aber nicht von wem“, und zeigte auf seine zerkratzte Schaltung. Final saßen wir bei Kuchen und Bier im Kreise der Leipziger Gruppe um Großegger und den Bruder des ehemaligen Weltmeisters Andreas Petermannn, Detlef, zusammen. Wörlitz gab sich warm, ehrlich und einladend.
 
 
Vitus, 13. September 2021; Bilder: Peanut
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: sonnig, 23ºC, mäßiger Wind aus West (7 km/h), 70% Luftfeuchtigkeit
Typ: Rundstreckenrennen
Länge: 30 km
 
Gesamtmeldungen: 148
Masters 2: 17, Masters 3: 12, Masters 4: 25, U17: 8, U15: 29, U13: 25, U11: 18, Hobby: 14
Im Ziel: 123
Masters 2: 16, Masters 3: 10, Masters 4: 20, U17: 8, U15: 26, U13: 15, U11: 15, Hobby: 13
 
Masters 4
Meldungen:
25
Am Start:
21
Im Ziel: 20
1. Jürgen Fromberg (RSV Gütersloh 1931) 47:07
2. Dieter Vorbeck (RC Adler Köln 1921)
3. Marco Großegger (SC DHfK Leipzig)
4. Michael Pape (RSC Hildesheim)
5. Jörg Hein (RSG Hannover)
6. Bernd Weinhold (1. RSV 1886 Greiz)
12. Vitus (Dresdner SC 1898)
 
Ergebnisse
Rad-Net