9. AWH-Straßenradrennen
Halle-Lochau, 24. September 2023
Prolog
 
Mein letztes Radrennen in diesem Jahr? Vielleicht das letzte für immer? Der Gedanke an Abschied verbunden mit Wehmut und krassen Emotionen kommt jedesmal beim Deponierennen im Anhaltinischen auf. Während die heutige neunte Ausgabe für manche einen kleinen Höhepunkt im Jahr bedeutete: Der „Preis der Stadtwerke Halle“ war wieder einmal die Landesmeisterschaft im Straße Einzel von Sachsen-Anhalt.
.:: DIE STRECKE ::.
Gefahren wurde auf der mit 95 Meter über NN einzigen Anhöhe weit und breit: der auf einem alten Tagebaugelände südöstlich von Halle errichteten und 2005 stillgelegten Mülldeponie Lochau. Die Rennstrecke führte auf einer namenlosen asphaltierten Ringstraße am Rand der riesigen Grube entlang. Wind und ein selektiver, 750 Meter langer Anstieg mit 30 Höhenmetern und bis zu zwölf Prozent Steigung ausgangs jeder Runde, waren die Herausforderungen. Sechsmal mußten die Masters 4 über den 7,6 Kilometer langen Rundkurs fahren, ehe der Sieger auf dem schmutzigsten Mont Ventoux Sachsen-Anhalts feststand.
.:: DAS RENNEN ::.
Nach der Zerstörung unseres Volkswagens in Zwenkau hatten Peanut und ich im Rahmen einer vierzehntägigen „Wiedergutmachung“ weiterhin das Recht auf einen schönen, modernen Leihwagen. Nach einem Toyota Corolla wurde uns diesmal ein etwas kleinerer SUV in Gestalt eines Ford Ecosport vors Haus gebracht. Nichtsdestotrotz waren wir geschwind über die im Morgengrauen noch schlummernde Autobahn gebraust. Vor den am Horizont rauchenden Schloten der Buna-Werke Schkopau war alles beim Alten, die Szenerie nahezu die der Vorjahre. Der anhaltinische Petrus gab sich grau, kühl und krätzig, während sich die üblichen Verdächtigen fast vollständig zu einem neuen Rendezvous auf der Lochauer Deponierunde versammelt hatten. Der ums Eck im Kabelsketal wohnende Großegger kam diesmal aber nicht im riesigen Wohnmobil, sondern in voller Rennmontur mit dem Rad. Nur die jungen, professionellen Damen, die zuletzt die Männer um ihre Belohnung brachten, fehlten. Dafür waren die Wessis Nagel und Vorbeck zum ersten Mal dabei. Und: Kampfrichter Lohr wirkte vom Streß und Ärger der letzten Rennen regelrecht befreit und grüßte mich mit einem frischen, geradezu schmeichelndem „Guten Morgen“. Nachdem sich die Masters 3 und 4 am START formiert hatten, erläuterte Herr Lohr die neue Streckenführung. Jene hatte sich dahingehend verändert, daß nach jeder Runde der Start- und Zielbereich durchfahren wurde. Damit „würde die Attraktivität und damit auch die Zuschauerfreundlichkeit der Veranstaltung erhöht“. Sofern sich sonntagmorgens ein Mensch auf die Müllhalde am Po der Welt verirrt... Pünktlich halb zehn ging´s mit den Masters 3 los.
9 Uhr 32 folgte die kleine Schar der Masters 4. Nach einem entspannten Auftakt, bei dem „Grossi“ sich wie in einer Spielerei als Ausreißer versuchte, ging es mit Erklimmung des „Scharfrichters“ ausgangs der ersten Runde zur Sache, was jedem wehgetan hat. Speziell mir. Beim Versuch, den 750 Meter langen Anstieg vom tiefsten zum höchsten Punkt der Strecke mit dem großen Kettenblatt hochzustürmen, waren zweihundert Meter vorm Gipfel plötzlich meine Beine blitzeblau. Ich war mit dem verkehrten Material unterwegs. Eine acht Kilo schwere Aeromaschine ist eben keine Feder für Berge. Doch mein leichtes Rad stand seit zwei Wochen in der Werkstatt... Nach zähem Kampf hatte ich die Sieben vor mir bei der ersten Zielpassage rund um eine Wieseninsel wieder eingeholt. In Runde zwei wiederholte sich das Szenario. Wieder mußte ich an dem Kanten als Einziger reißen lassen. Da half auch die Variante mit dem kleinen Blatt nicht. Doch erneut konnte ich das Loch auf dem Zielplateau zufahren. Eingangs Runde drei machten Keller, Matzel, Nagel und Vorbeck Ernst, und zogen unaufhaltsam davon - während ich mit Großegger, Ristau und Ruhmer das Rudel der Geschlagenen bildete. Besonders Ristau wollte nicht lockerlassen, und hatte verzweifelt, doch letztlich vergebens um einen Zusammenschluß gekämpft. Damit waren die Podiumsplätze futsch, es ging nur noch um Punkte für die Rangliste des BDR. Während eingangs Runde vier erst Kölns Vorbeck, und später auch der Göttinger Nagel die Segel streichen mußten, und Keller - laut Matzel „nach Absprache“ - über seinen Trainingskumpel triumphierte, rettete ich mich wenigstens vor der Roten Laterne ins ZIEL. Damit war nun auch der Nimbus von Lochau, wo es immer so gut für mich lief, zerkratzt. Kurioserweise reklamierte Vorbeck den dritten Platz für sich, obwohl er von dreien abgehängt worden war...
Epilog
 
Wie jedes Jahr war im Ziel ein Zeltverdeck mit Hausmannskost aufgebaut. Hier labte ich mich mit meinem Mädel an Kuchen, Fettbemme, Kaffee und Bier für gerademal 2 Euro 50 alles zusammen. Peanut erzählte mir später von einer Unterhaltung, nach der ein Zuschauer äußerte, daß man aus dem Tümpel im Tiefpunkt der Rennstrecke sogar trinken kann. Worauf der andere entgegnete: „Ja, wenn de keene Zähne mehr hast.“
 
 
Vitus, 26. September 2023; Bilder: AW Halle, Peanut
.:: ZAHLEN UND ZEITEN ::.
Wetter: bewölkt, 12ºC, leichte Brise (9 km/h) aus Südwest
Typ: Rundstreckenrennen
Länge: 46 km
 
Im Ziel: Masters 2: 18, Masters 3: 13, Masters 4: 8, Hobby: unbekannt
 
Masters 4
Gemeldet:
13
Am Start:
8
Im Ziel:
8
1. Ralf Keller (RSG Muldental Grimma) 1:12:50 Std.
2. Jens Matzel (RFC Markkleeberg)
3. Carsten Nagel (RSG Göttingen)
4..Dieter Vorbeck (RC Adler Köln 1921)
5. Marco Großegger (SC DHfK Leipzig)
6. René Ristau (RC Kleinmachnow)
7. Mario Voland (Dresdner SC 1898)
 
Ergebnisse

Rad-Net