PALLBEARER, SKYTT
D-Frankfurt am Main, Das Bett - 14. Mai 2025
Frühling 2025: Die Natur spross, Menschen kamen und gingen, grüßten und nehmen Abschied - und im weltstädtischen Frankfurt freute ich mich auf ein Konzert: ein echtes Doomritual! Pallbearer, USA, hatten ihren ersten Auftritt in der Stadt seit 2017. Mit einem Schallkontrast von Skytt. Daß ich gerade mitten in der Radrennsaison steckte, war mir an diesem Mittwoch schnurzpiepegal. Heute hing ich lieber im „Bett“ ab, trank Bier und erinnerte mich an die alten Doomzeiten. Unterschwellig wußte ich aber, daß die nie wiederkehren werden. Nach durchstandener Fahrt mit S- und Straßenbahn vom Norden in den Westen Frankfurts, traf ich zum pünktlichen Beginn um acht im Klub nahe dem Gallusbunker ein. Geschätzte achtzig Leute gaben sich zum Kartenpreis von 25 Euro die Ehre - bis auf einen durch die Bank unbekannte Gesichter, kaum noch Langhaarige, aber immerhin einer in Count-Raven-Shirt.
Die Vorgruppe wurde 2018 als DRECK gegründet, hieß nun SKYTT, kam aus Gießen und spielte Buzzoven, Iron Monkey und Eyehategod rauf und runter. Grob vereinfacht ließe sich sagen: Hardcore knallte auf Doom. „Powerviolence küsst Sludgecorewalze“, nennen es die Endzwanziger Ansgar, Simeon und Marina etwas poetischer. Tatsächlich scheint die um die Jahrtausendwende geborene Generation Z eine betrogene Generation zu sein, deren Träume mit der Wirklichkeit kollidieren. Mit durchweg niederschmetternden, nihilistischen Liedern haben Skytt das Lebensgefühl im richtigen Tonfall subversiv, radikal, zornig und mit Anklängen an kalten Noise und Industrial umgesetzt. Dabei drehten die athletische Schlagzeugerin und der nicht minder muskulöse Frontmann körperlich regelrecht durch. Allein die auf Deutsch herausgeraspelten Durchsagen, harsche Willkommensgrüße im Hamsterrad und in der brutalen Stadt, suchten Ihresgleichen. Eine giftgrün ausgeleuchtete Bühne und fiepende und rumpelnde Rückkopplungen ließen den Betrachter zusäzlich frösteln. Mit „Baustellenromantik“ und „Abbild“ bildeten zwei durchgeknallte Quickies nach nur fünfundzwanzig Minuten das Ende eines viel zu kurzen, krassen Scharmützels.
Unterschiedlicher konnten die beiden Gruppen kaum sein. Und dennoch fügten sich die Heißsporne Skytt und die nostalgischen PALLBEARER wie in einem Mosaik auf wundervolle Weise zusammen. Die gefühlt doppelt so alten „Sargträger“ aus Little Rock, Arkansas, waren also wiedermal in Frankfurt. Und dies mit Brett Campbell, Devin Holt, Joseph D. Rowland und Mark Lierly in seit Jahren unverwüstlicher Besetzung. Angesichts der eigenen Dramen und Tragödien der letzten Zeit schien das wie eine grausame Ironie des Schicksals. Fast so grausam wie der Fakt, daß einer nach dem anderen geht. Doch vor dem Heimgang doomten Pallbearer uns eine beseelte Ladung epischem Doom Metals entgegen. 'Mind Burns Alive', heißt das fünfte und bislang letzte Werk von Pallbearer. Das konnte auch Sinnbild des heutigen Rituals sein. Geister, die lebendig brennen. Nichts wurde geschönt. Aber die Balance zwischen Angst, Tod, Schmerz, Isolation und Mystik wurde von einem unter die Haut gehend natürlichen Vortrag der Amis, allen voran der nach wie vor unübersehbaren Scheu ihres Frontmanns, perfekt gehalten. Pallbearer oszillierten ruhig, klug und - von Rowlands im Ventilatorwind wehendem Schopf abgesehen - gänzlich unspektakulär zwischen zerbrechlicher Melancholie und doomiger Wucht. Genau dieses Unberührbare finde ich sehr reizvoll. Manches kann man einfach nicht verstehen. Aber das ist ja die Magie der Doommusik. Man kann nicht immer alles nüchtern verstehen. Und gute Gruppen sowieso nicht. Weil sie sich oft von einem Gespür für oder gegen etwas leiten lassen, „Given to the Grave“ war solch ein Moment. „We bring it not so often. But we bring it tonight!“, sagte Campbell mit heller Stimme das Überlied vom herzzerreißenden Erstwerk an. Tränen flossen heute nicht. Umso mehr Tränen flossen vor sechs Jahren beim Abschied meiner Mutter, als 'Sorrow And Extinction' die ganze Nacht durchlief. Und auch deswegen fühlte ich mich gewärmt in Gegenwart von Pallbearer. Eine weitere Altigkeit, „Worlds Apart“, besiegelte nach weit über einer Stunde den Auftritt. Final ließen die Saitenmänner ihre Instrumente vor den Speakern am Boden knieend ausklingen.
 
 

((((((Heiliger Vitus)))))), 15 Mai 2025
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
SKYTT
(20.00-20.25)
1. Selbstdiagnose
2. Fatalist
3. Hamsterrad
4. Sechsuhrsechs
5. Panther
6. Brutal
7. Optimist
8. Gang vor die Hunde
9. Ursache
10. Tristessemachine
11. Baustellenromantik
12. Abbild
 
PALLBEARER
(20.58-22.05)
1. Silver Wings
2. Thorns
3. Endless Place
4. The Ghost I Used to Be
5. Signals
6. Given to the Grave
7. Worlds Apart