LOW FREQUENCY ASSAULT II
 
HEAVY LORD, DUST, MÖSE, EARTH FLIGHT
D-Nürnberg, Z-Bau (Kunstverein) - 29. Januar 2005
Doomerstag, 27. Januar
 
Flucht von der Maschinerie Frankfurt in die Geruhsamkeit Nürnbergs... hinein in eine sonnenhelle Winterwelt in Weiß! Am frühen Vormittag hatte ich mich mit Begleitservice Peanut zum Quartier in Hasenbuck durchgeschlagen, und dort wurden wir von der griechischen Wirtin mit offenen Armen und doppelten Ouzos empfangen. Damit war der Geist aus der Flasche gelassen. Dazu prangten in der Taverne noch immer die vier - mit etwas Phantasie - das magische Wort ergebenden Insignien D.00.H am verrauchten Gebälk vor den Klosetts. Nach etwas Gläserrücken und nachdem der Biervorrat auf dem Fensterbrett kaltgestellt war, zog es uns in die Altstadt - wo das angepeilte Nationalmuseum leider gerade seine Pforten schloß. Als Entschädigung schleuste ich Peanut durch die Freudenabteilung längs der Stadtmauer. Und nach Klamotten wollten wir schauen. Der Laden „Underground“ bot alles, was das Herz begehrt. Der Tag mündete in einer Schänke am Südtiroler Platz. Zwei Dutzend Tucher Urfränkisch Hell und Weizen vom Faß liefen locker runter und machten keinen dicken Kopf.
 
Freitag, 28. Januar
 
Wie im alten Jahr, standen uns die Sinne nach den monumentalen Bauten des nahen Reichsparteitagsgeländes. Nach einem transzendentalen Rundgang über Neuschnee, Opferkult, Blutfahne und Lichtdom, folgte in den Abendstunden das Gegenprogramm durch Anarcho-Punk aus Ostdeutschland. Der Bericht ist hier zu finden:
...... Harnleita, Chemievereucht
 
Sonnabend, 29. Januar
 
Nach Punk bis in die Puppen und einem kurzen Nickerchen lautete die Parole „Durchmachen!“. Zuvor jedoch mußte (!) ich noch einen Morgenlauf durch die Nürnbergruinen machen. In der Nacht hatte es frisch geschneit, die Sonne lachte, die Straßen waren leer. Um acht schnürte ich die Laufschuhe - und bekam das schönste Training durch zehn kristallglitzerende Kilometer auf dem einsamen Feld der Geschichte. Ein Lauf in eine andere Welt! - Mit dem Sonnenuntergang galt alles Trachten wieder den unwiderstehlichsten Klängen für immer und ewig: dem DOOM! Um acht Uhr hatten wir uns in der Südkaserne eingefunden. Organisator Boris (Versus The Stillborn-Minded) verdingte sich als Torwächter. Peanut und ich waren die Besucher 12 und 13. Nach Entrichtung von sechs Euro pro Kopf plus drei Euro Doomspende gab es dann die - wie Boris sagte - „richtige Begrüßung“: eine Herzung. Und Boris hatte Neuigkeiten. Die Schlechte: Die Südkaserne - somit der Austragungsort des LFA - soll 2008 in die Luft gejagt werden. Die Gute: VTS-M werden den zweiten Tag des Doomgipfels „Doom Shall Rise“ eröffnen! Mangels Stempel kritzelte Boris uns noch ein kleines „nix“ auf die Hand. Im Saal folgten Handschläge mit dem lampenfiebernden Tobias und mit Sebastian von Earth Flight (die ich prompt verwechselte). Sebastian spendierte uns zwei Kanone-Biere. Kurz darauf traf Herr Hegedüs aus Wien in Nürnberg ein. Im Gepäck: doomige Tonträger für Vitus. Im Gegenzug leistete ich einhundert Euro Aufbauhilfe für die Teeplantage „PsycheDOOMelic“ in Doomtown Vienna.
Acht Minuten nach neun begann die Neuerweckung des LOW FREQUENCY ASSAULT mit EARTH FLIGHT. Nach einer instrumentalen Einleitung erhob Vokalist Brunner seine Stimme. Nicht irgend eine Stimme, sondern eine gottbegnadete! Vor zwei Monaten beim November´s Doomsday noch von einer Bronchitis gehemmt, konnte Tobias heute seine entwaffnend schöne Stimme frei entfalten. Gitarrist Blendinger, Basser Stüllein (wie Brunner mit wallendem Haar gesegnet), dazu Trommler Engelhardt leisteten beste Schützenhilfe. Wie in Zenna läuteten der entrückte Doomrocker „Earth Flight“ und das fragile „Awakening“ eine Sause durch die Zeiten ein. Die Nürnberger oszillierten in der Folge zwischen okkultem Siebziger-Doom - wie dem Pentagram-Cover „Starlady“ oder „Till I Lie Below“ - und psychedelischen Kraut-Rockern wie „No Tear“ und „Night Flight“ - der Name dieser Gruppe sagt schon: mal erdig, mal fliegend. Puristischer Moll paarte sich mit mystischen Melodien, verstaubte Gitarren mit wuchtigen Bässen und einem Hauch Funk. Über allem schwebte diese unverschämt fesselnde, kristallklare Singstimme. Earth Flight sind nicht unbedingt die Bangmusic vorm Herrn, doch wer einmal mit ihrem raffinierten Stoff vertraut ist, wird sie um so heftiger lieben. Der Flug um die Erde endete nach einer Stunde mit dem experimentell beginnenden, von abgedrehten Wah-Wah-Effekten durchzogenen, und schließlich raserisch hinweg gleitenden Retrokometen „Another Day“.
 
In der Pause ein Wiedersehen mit Sturmkind von Versus The Stillborn-Minded, der jetzt den Einlaß machte. Nach Boris´ Strichliste waren 80 Zahlende vor Ort. Sturmkind äußerte, es fehlten noch 10 bis 15 zur Kostendeckung. Die Besucherzahl war enttäuschend, und es waren auch kaum Doomer da. Das hat Onkel Boris nicht verdient! Unter den Besuchern weilte auch Frankens Deathmetalluziferin Steffiistcrazyfromeggenhausenforrestinthetalofzenn-middelfrea(n)ken.
22 Uhr 40 fingen die Zweiten an zu spielen. Der Name lautete MÖSE, dem flämischen Wort für Schlamm, was auf Englisch „Sludge“ bedeutet. Möse waren für die als Hauptakt geplanten, aber wegen fehlender Anschlußgigs abblasenden Finnen FLESHPRESS in die Bresche gesprungen. Karel „Klootöör“ Busschop, Geoffrey „Göfen“ Geraert und David „Dedeystere“ Stubbe stammten aus Gent und sahen überhaupt nicht gut aus. Sie sahen elend aus, waren schlecht ernährt, hatten rot unterlaufene, verquollene Augen, im Mundwinkel hingen Kippen, sie trugen kratzige Stoppelbärte, verlotterte Schwarzkluft und unter ihren Kappen quoll speckiges Haar hervor. Möses erste Nummer hieß „Atlas Shrugged“ - und war eine fette, noisebespritzte Sludge-Ratte. Erzeugt aus einem destruktiv morbiden Sechssaiter, animalischem Gekotze, Brummbässen und schrulligen Trommeln. Möse packten mich sofort an den Eiern. Gleichsam Herrn Trautwein. Der Rest verzog sich ins letzte Eck. Nur die haarewirbelnden Torsten und Vitus lagen Möse zu Füßen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes! „Möse sind das eklig eitrige Geschwür am Arsch der Gesellschaft“, raunte mir Torsten ins Ohr. Keinen Deut netter auch Furunkel Nummer zwei mit Namen „7000 Records“. Die bei Mösambique Records in Vinyl geritzten Sickos „Counting On to Zero“ und „More than a Bullet“ ergossen sich über uns. Auch diese wieder schleimige Ausflüsse voller Abscheu und Misanthropie. Eklig wie das Leben! „Cruising for Denial“, „How to Kill a Pig“, „Checkers“: Nenn´ sie wie du willst.. es war alles nur unbehaglich, zotig und abstoßend. Möse kann man nur hassen oder lieben! Auch wenn den Flamen kein langes Leben beschieden sein wird: Möse waren Kult, und Vitus liebt Möse! Möse sludgeten 66 vulgäre Minuten, und Vitus stolperte vom Veitstanz klatschnaß wie Möse und reif fürs Irrenhaus zur Bar...
 
... wo Peanut unsere Stellung auf einem alten Turnpferd mit einem über die Jahre hart gewordenen Lederpolster verteidigte. Aber sie wäre bei Möse fast weggenickt. Jemand charakterisierte Möse sogar als „Pennermusik!“. Nach dem Earth-Flight-Bier hatten wir nun Selbstgekauftes für Einsfuffzich plus fuffzich Pfennige „Mitgliedsbeitrag“ beim Erstgetränk. Der Umbau dauerte eine halbe Stunde...
Karic, Kröger, Großmann, Pflug und Popovic hießen die Männer aus Bielefeld. Der Name ihrer Gruppe lautete DUST. Doch nicht, wie der Name vermuten ließ: Stoner Rock, nein, Psychoaggressive Heavy Doom hatten sich Dust auf die Fahne geschrieben. Mit donnernden Doomgitarren, einigen kosmischen Effekten und räudigen Barbarenschreien um „Blown in Space“ und „Driftin´“ zogen die fünf dann auch überaus gewalttätig in die Schlacht. Dust fuhren eine ziemlich harte Schiene. Sie verdrahteten die Deathrocker Entombed mit den Doomcorelern Crowbar und gewissen Motörheadbanger-Parts zu einem eruptiv drückenden Stoff - der die Meute anfangs recht abschreckte. Aber nach Karics hämischem „Geht das noch lauter? Ihr seid doch eingeschlafen von Möse!“ wurde alles gut! Überhaupt dieser Karic! Dessen bedrohliche Urkraft von zwei Metern stand im starken Kontrast zum Rest. Denn während der Fronter die Seele, Statur und Optik eines Grizzlybärs atmete, trug etwa der Doc mit Kappe, Schlips und Kragen so eine Art „Fight Club“ zur Schau. Dust peinigten ihre Instrumente nach Strich und Faden. Angeführt vom furiosen Gitarrendoppel und dem über allem schwebenden Höllenorgan vom Odin des Doom schenkten sie der Meute eine Stunde hochenergetischen Doom pur. Mal mit sich windenden Vitus-Läufen. Dann wieder mit moorschlürfend-dräuendem Sludge. Und das alles unter brachialem Donnergebraus! Nach dem Nackenbrecher „Fools“ und dem Sternenrumpler „Olympus Trip“ war die Schlacht im Teutoburger Wald geschlagen.
 
Derweil sich im Kunstverein die Lowtunes ihren Weg planierten, brausten unterm selben Dach zwei Gegenveranstaltungen: treppauf im Technoclub „zOOm“ eine „Pasta Music“-Party; und in der „Galerie“ der „Franken-Reggae-Birthday-Clash“ mit vier Kapellen. Steffiistcrazy befand Dust als „voll fett, mit voll fettem Sound“, stieg danach allerdings auch aus. Der Trommler von Möse schlürfte am Tresen ein Süppchen (endlich eine ordentliche Mahlzeit!). Und ein Geistesgestörter in Skikostüm und mit Ränzlein schneite ins Szenario - um als menschliche Flipperkugel headbangend von Wand zu Wand zu rotieren. Volle Deckung, erneut eine halbe Stunde Däumchen drehen und Kanone trinken......
„Kick your ass!“ Mit diesen Worten riß der schlaksige Rottenführer von HEAVY LORD das nachtschwere Nürnberg aus der Erschöpfung. Die Südkaserne wurde nun von Heavy Dictator Sludge Doom aus Hellevoetsluis in Südholland regiert. Weiße Strände sind die Heimat, schöne Landstriche - aber Heavy Lord führten nichts davon im Schilde. Nicht Sonne, Strand und Meer. Oh, nein! „We are from the land of weed!“ stellte der Frontmann klar. Jünger Mary Janes sind sie also, Steven, Wes Lee, Yef und SOS. Trotz ihres jungen Alters waren die Lords zur nüchternen Erkenntnis gekommen, daß die Erde kein schöner Platz zum Leben ist! Nachts um kurz vor zwei stieg das letzte Gefecht des LFA. Der „Elephaunt“ trampelte durch den Raum. Knochentrocken, allgewaltig - und in Windeseile Bedrückung verursachend. War doch das, was die jungen Niederländer brachten, überaus unbequem. Mit frostigen Gitarren und Keifen und Röcheln am Spieß erzeugten Heavy Lord eine sehr beklemmende Atmosphäre, einen endzeitlichen Alptraum! „Into the Pit of Infinity“, „Magician of Black Chaos“ und „Scorpion Sting“ hießen die bedeutungsschweren Titel. Wobei der mit einem riesigen Baß und Kampfblick bewaffnete Steve sowie der wie wahnsinnig umherspringende Dreadlockgitarrist Wes Lee auch fürs Auge einiges abzogen. Nach Zweifeln wegen ihres jungen Alters, rissen mich die Nobodys mit ihrer Vehemenz doch noch zur Kapitulation der Nackenwirbel hin. Ausgerechnet beim finalen, kreuzfeuernden Slowbanger „Gods of Doom“ kapitulierten auch die Apparillos... bevor sich der Heftige Lord mit „The Ego has Landed“ endgültig dem Sterben zuwandte.
 
Den Lords folgte Rumblödeln mit Möses Geoffrey und mit Torsten von VTS-M sowie Eliminieren von Kanonebier bei Punk vom Band bis in die Puppen. Es war ein toller Abend mit netten Menschen und klasse Musik! Nach einem Heimweg durch frostklirrende Winterwinde hatte ich um vier Uhr mit meinem Mädel die Unterkunft erreicht.
 
Sonntag, 30. Januar
 
Das Kanone-Gebräu war weniger verträglich wie Tucher. Und da die Wirtsleute unserer Pension am Sonntagmittag ratzten, mußte ich sehr, sehr lange auf das Gegengift warten. Mit drei späten Bieren vom „Bratwurst Röslein“ im Blut, mit feuchten Augen und heiligen Gedanken, ging es am frühen Nachmittag auf den Rückweg nach Frankfurt.
 
 
Nachhall
Möse schrieben mir später, daß sie sich selber total genossen zu haben. Sie waren alle ziemlich deformiert und Göfen ist erst am nächsten Tag (nach Vernichtung des letzten Biers) in den Bus gekrochen.
Für Heavy Lord war Germany „fucking great“.
 
 
Doom, Fascination und Gewalt: ((((((Heiliger Vitus)))))), 6. Februar 2005
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
EARTH FLIGHT
(21.08-22.08)
Intro
1. Earth Flight
2. Awakening
3. Ain´t My Deal
4. Starlady [Pentagram]
5. No Tear
6. Till I Lie Below
7. Night Flight
9. Groove-Song
10. Another Day
 
MÖSE
(22.40-23.46)
1. Atlas Shrugged
2. 7000 Records
3. Counting on to Zero
4. Cruising for Denial
5. How to Kill a Pig
6. Checkers
 
DUST
(0.15-1.15)
1. Blown in Space
2. Driftin´
3. Psychoactive Breakdown
4. Simple Man´s Fatel
5. In Love With Pain
6. Be Warned
7. Dust
8. Fools
9. Olympus Trip
 
HEAVY LORD
(1.50-2.45)
1. Elephaunt
2. Into the Pit of Infinity
3. Magician of Black Chaos
4. One is a Billion
5. Scorpion Sting
6. Gods of Doom
7. The Ego has Landed