HAMMER OF DOOM XIII
 
WHILE HEAVEN WEPT, ERIC CLAYTON, APOSTLE OF SOLITUDE, THE WIZARDS, GOAT EXPLOSION
D-Würzburg, Posthalle - 16. November 2018
Prolog
 
Der dreizehnte Hammer Of Doom war für Goddess of Doom Peanut und mich ein Ausflug ins Blaue. Die Hälfte der vierzehn Gruppen kannten wir noch nicht mal vom Namen; vom Rest war ich wenig überzeugt. Im Grunde interessierten mich nur drei Gruppen, von denen eine (Unorthodox) wenige Tage vorm Auftritt trotz bezahlter Flüge und Pässe auch noch kniff. Peanut äußerte: „Da kriegste als Veranstalter das Kotzen: so unzuverlässige Musiker teilweise. Scheint ja auch ein etwas schräger Vogel zu sein, der von Unorthodox.“ Schade. Den reaktivierten Hellhound-Kultakt aus USA hatte ich Anfang der Neunziger im Hinterhausklub „F63“ in Offenbach gesehen, und Dale Flood & Co. mit zwanzig Jahren Abstand gern noch mal erlebt. Damit stellte sich für mich persönlich die Frage: Für zwei Gruppen zwei Nächte in Würzburg um die Ohren schlagen? Oder eine Woche später zu den ebenfalls vor langer Zeit gebuchten „Dutch Doom Days“ in Rotterdam gondeln? Nur für diese beiden Festivals hatten wir uns von Dresden auf den halben Weg in Richtung Westen nach Frankfurt gemacht. P. wollte auf jeden Fall zum „Hammer“. Waren wir bei unseren ersten Besuchen noch genervt von zu viel Undoom, wuchs uns das Szenefest in Unterfranken durch seinen Rahmen doch bald ans Herz. Man trifft alte Gesichter, die Stimmung ist locker, die Halle weit, Würzburger Hofbräu und Keiler Weißbier munden, und jeder „Hammer“ könnte der Letzte sein. Denn seit Jahren wird über den Abriß der Posthalle spekuliert!
 
Freitag, 16. November (1. Tag)
 
Da diesmal wenige klangvolle Namen rekrutiert waren, hielt sich die Besucherzahl in Grenzen. Erstmals drängte sich vorm Bau mit dem Zackendach keine Schlange, und auch drin in der „Poha“ öffnete sich der Blick unverstellt aufs Geviert. Am Freitag dürften es 1000 Leute gewesen sein, am Sonnabend kaum mehr als 1200. Dazu gesellte sich das Phänomen, daß diesmal fast niemand headbangte. Bei keiner Gruppe sah man rotierende Köpfe, wirbelnde Haare oder gereckte Fäuste.
Der Abend begann mit einer dicken Überraschung: GOAT EXPLOSION sollten nicht nur eine tolle Neuentdeckung sein, sondern auch zum heimlichen Sieger der Nacht emporsteigen. Der Auftritt stocherte anfänglich noch etwas diffus im Dunst von Cross Vault und Warning herum, nahm dann aber Kontur und Selbstvertrauen an, und lieferte eine novembergraue Geschichte, die frösteln ließ. Wobei es speziell die markanten Trommeln und der für manche etwas sonor tönende Gesang waren, die ihm seinen desillusioniert-fahlen und trotzdem eindringlichen Charme verlieh. Eine schlichte, grundehrliche Performanz tat das Übrige für ein demütig verfolgtes Dreiviertelstündlein Doom Metal aus Leipzig. Ihre schönsten Stücke - zwei langsame Doomer vom Demo 'Siesta Infernal' - hatten sich Goat Explosion für den Schluß aufgehoben.
Den Namen THE WIZARDS hatte ich noch nie gehört und mich auch nie mit deren Musik befasst. Die blonde Malin erleuchtete mich insofern, daß The Wizards mit einer Tributplatte Danzig gehuldigt hatten. In natura wurde ich dann aber mit klassischem Heavy Metal im Stile der Achtziger konfrontiert, der in seinen „doomigsten“ Momenten an Procession erinnerte. Das Besondere an dem Rudel aus Bilbao waren die Spitznamen Phil The Pain, George Dee, Baraka Boy, Dave O. Spare, Sir Ian Mason, und daß es über weite Strecken zu dritt in die Mikros schrie. Daß die Wizards offensichtlich einen Nerv trafen, zeigte sich an der plötzlich gut gefüllten Halle: Während die Doomer aus Leipzig höchstens fünfhundert Leute vor sich hatten, wurden die Heavies aus dem Baskenland nun von tausend Groupies und Wackenschäfchen beäugt.
Aus meiner Sicht bestand der heutige Tag einzig aus Freude über eine Wiederbegegnung mit APOSTLE OF SOLITUDE. Nach ihrer Heiligsprechung vor zwei Jahren waren die Recken aus Indianapolis, USA, gleich noch mal auf den „Hammer“ geholt worden. Inzwischen hatten Brown, Janiak, Naish und Webb ein Langeisen mit dem Titel 'From Gold To Ash' veröffentlicht, welches - nomen est omen - von zahmen, alten Männern gemacht scheint. All die Wucht und Einzigartigkeit von 'Of Woe And Wounds', frische, unsterbliche Doom-Hymnen wie „Die Vicar Die“, oder selbstmörderische Schönheiten wie „Sincerest Misery“ - alles wie vergessen. Mit „Blackest of Time“ und „This Mania“ spielten Apostle of Solitude nur zwei Lieder vom überragenden Vorgängerwerk, die restlichen vier stammten vom Neuling. Dazu kam die Erkenntnis, daß Apostle of Solitude im Unterschied zu ihren nachfolgenden Landsmännern aus Kalifornien eine jener Gruppen sind, die sich in einem Klub besser machen als in einer Halle. Diese Amis sind keine Showtypen. Womöglich hatten sie sich im letzten Jahr auch in trügerischem Starrummel gesuhlt. Heute jedenfalls lieferten sie einen eher geschäftsmäßigen Vortrag ab. Ähnlich wie bei Pallbearer und derem fast gleichzeitig erschienen 'Heartless', scheint bei den Aposteln das Pulver schon wieder verschossen. Freuen konnte ich mich nicht!
ERIC CLAYTON hatte mit seinem Bruder Jeff 1989 die kalifornischen Epic-Prog-Metaller Saviour Machine formiert. Da jene seit Jahren auf Eis liegen, überbrückt Eric die Zeit mit einem Soloprojekt, das in voller Länge ERIC CLAYTON AND THE NINE heißt. Live kommt überwiegend Material von den frühen Konzeptalben 'Saviour Machine I' und 'Saviour Machine II' zum Einsatz. Das wird erweitert um Fremdübernahmen, wie dem heutigen Einklang „Helter Skelter“ von den Beatles. Man merkte, daß eine große Halle die Welt von Clayton ist. Mit seiner gesamten Art, der Kleidung, der zeitlupenhaft inszenierten Theatralik, und der dunklen Baritonstimme, erinnerte er an Carl McCoy; und der Gothic Rock von Eric Clayton lag auf einer Linie mit den Fields of the Nephilim. Die zugestandenen fünfundsiebzig Minuten verstrichen wie im Flug. Von Doom war Clayton allerdings so weit weg wie Saviour Machine von einer Wiederbelebung.
Nachdem Tom Phillips vor drei Jahren die Tour zum Album 'Suspended At Aphelion' abbrechen mußte, wollte der Kopf von WHILE HEAVEN WEPT seine Anhänger in Europa durch einen finalen Feldzug um Vergebung bitten, und zugleich Abschied vom ausschweifenden Musikerleben nehmen. Fünf Jahre nach ihrer Sternenstunde am selben Ort, zeigte sich die Epic-Doom-Ikone aus Virginia, USA, also ein letztes Mal - noch mal in der 'Vast Oceans Lachrymose'-Besetzung mit Leitgitarrist Tom Phillips, Bassist Jim Hunter, Sänger Rain Irving, dem Rhythmusgitarristen Scott Loose, der Pianistin und Sängerin Michelle Schrotz sowie ihrem Bruder Trevor Schrotz an den Trommeln. Dieser Auftritt hätte nie geschehen dürfen. Denn anders als die vor Melancholie und Heavyness strotzende Demonstration von 2013, verkam der Schwanengesang zu einem schwülstigen Abgesang auf eine Legende. Spätestens heute verlor sich Tom im kräftig drehenden Mitgliederkarussell. Für ihn selbst war es stets ein Dilemma, seine Gefühle nicht richtig aufs Geviert bringen zu können. Ausgerechnet er, dem einstigen Mitgründer des Geheimbunds „Circle Of True Doom“ (C.O.T.D.), dem Kritiker elitäre Ansprüche und Ausgrenzung alles Nichttraditionellen vorwerfen. Ein Vortrag im Sitzen und die aufgeblasene Larmoyanz einer Frau machte alles zunichte. Selbst Jim Hunter, der wie Tom sein ganzes Leben dem Doom vermacht hat und live besessen headbangt, wirkte steif und resigniert. Und: Entgegen ihrer letztmaligen Ansage, „Thus With a Kiss I Die“ nach dem Hammer Of Doom 2013 niemals wieder live zu zelebrieren, haben sie es doch wieder getan. Nach der ersten Nacht in Würzburg sollten vier weitere in Athen, Rotterdam sowie eine Doppelschau in Madrid folgen. R.I.P., While Heaven Wept!
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
GOAT EXPLOSION
(18.00-18.45)
Zwei Lieder vom Demo 'Siesta Infernal', Rest unbekannt
 
THE WIZARDS
(19.00-19.45)
1. Apocalyptic Weapons
2. Destiny
3. Circle of Time
4. Calliope (Cosmic Revelations)
5. Aftermath
6. Strings Synchronise
7. Stardust
 
APOSTLE OF SOLITUDE
(20.00-20.45)
1. Keeping the Lighthouse
2. Ruination Be Thy Name
3. My Heart is Leaving Here
4. Blackest of Times
5. Grey Farewell
6. This Mania
 
ERIC CLAYTON
(21.05-22.20)
Intro
1. Helter Skelter [The Beatles]
2. Christians & Lunatics
3. Enter the Idol
4. Killer
5. Five Years
6. Breaking Glass
7. The Mask
8. Son of the Rain
9. Ascension of Heroes
10. Perfect Day
11. I Shall Be Released
12. Love Never Dies
13. Carnival of Souls
14. Legion
 
WHILE HEAVEN WEPT
(22.40-0.10)
1. Introspectus
2. Icarus and I
3. Ardor
4. Heartburst
5. Vast Oceans Lachrymose
6. The Furthest Shore
7. To Wander the Void
8. Of Empires Forlorn
9. Voice in the Wind
10. Soulsadness
11. The Drowning Years
12. Vessel
13. Thus With a Kiss I Die
Wie üblich, drohte am Hallenausgang die bis drei oder vier Uhr währende AFTERSHOWPARTY. Der Schwabe Kishde berichtete anderntags, daß ein Besucher beim Gehen draußen kopfüber aufs Gesicht gestürzt sei, und der Tag für ihn selbst verheerend wie immer endete. Micha und Steffen, Freunde aus dem Osten, meldeten um 1.58 Uhr via „Whatsapp“-Depesche ihren Zapfenstreich. Mehr als zwei Stunden zuvor hatten Peanut und ich den Rückzug zum Hotel beschlossen.
 
 
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Heiliger Vitus, 22. November 2018