FREEDOM HAWK, ALUNAH, HIGH REEPER
D-Dresden, Chemiefabrik - 8. Mai 2018
„Elbsludgebooking“ holen seit geraumer Zeit als Einzige Doom-Gruppen nach Dresden. Ärgerlich nur, daß jene an Orten auftreten müssen, die kein Doom-Fluidum versprühen. Einer davon ist die „Chemo“, die von doom-magischen Ritualen so weit weg ist wie unser blauer Planet vom Mars. Hier spielen die Bands in einem räudigen Punkerschuppen mit einem Vorplatz, der mit Grill und ums Feuer sitzender Jugend an Zeltlager der FDJ erinnert. Zudem ergötzen sich viele lieber an Qualmen und Quatschen im Freien als an der Musik. Zum Verlust des Gefühls kam die Gegebenheit, daß an jenem Abend im Mai Touren aus andersartigen Welten aufeinandertrafen: zwei Trosse Hardrock aus USA, im Sandwich Doomer aus Engeland (die den Amis nichtsdestotrotz eine kleine Ansage zuflunkerten). Damit war auch das Publikum von vornherein in Schnell & Wild und Langsam & Tief gespalten. Zu allem Verdruß wurden uns an der Kasse auch noch die vor langer Zeit und für teuer Geld von „Saxticket“ nachhause gelieferten Eintrittskarten abgenommen. (Abrechnungsbedingt. Dabei war eine Bestellung überflüssig. Denn mit fünfzig Kunden füllte sich der Laden nur locker auf. Immerhin gab uns jemand nach der zweiten Gruppe als Andenken eine Karte zurück). Genug gemault...
HIGH REEPER hatten das Pech, trotz Wartens vor nicht mal zwanzig Augenpaaren eröffnen zu müssen. Und dies im tiefen, dunklen Bordellrot der Bühne, das die Akteure unwirklich verwischte. Die fünf aus Reeperville Philadelphia lieferten passenderweise Stoff, an dem man sich schon lange sattgesehen hat: Heavy Rock der grobmotorischen Art, serviert mit Straßencharme, Mähnen, Mörderkoteletten, Bärten und einer zu lauten und zu krachigen Beschallung - doch mit der unerschütterlichen Lockerheit der Amerikaner. High Reeper rappelten schnell aber ohne Tiefe. Selbst der einzig entschleunigte Versuch - der Gnadenschuß „Die Slow“ - krepierte nach einem groovy Auftakt in einem Sperrfeuer aus abgedroschenen Fuzzgitarren. Solider Standardstoff: mehr war das nicht.
Nicht nur der niedrige, stickige Klub brachte den Doom-Addikt anschließend arg ins Schwitzen. Auch Gorilla-Monsoon-Fronter Jack Sabbath hatte es goldrichtig erkannt: „Alter Mann, Du bist nur wegen Alunah hier.“ ALUNAH schien das Doom-Ereignis des Monats Mai in Dresden zu werden. Und abgesehen vom Ambiente - für das sie ja nichts konnten - hielten die Engländer, was sie versprachen. Trotz ihrer langen Geschichte von zwölf Jahren und vier Langeisen wirkten die aus den West Midlands Stammenden frisch und unverbraucht, lampenfiebrig wie beim Erstenmal geradezu. Sängerin Siân Greenaway, Gitarrist David Day, Bassist Daniel Burchmore und Trommler Jake Mason standen in einer Reihe britischer Doom-Gruppen, die von Ladys gefrontet sind. Man denke nur an The River, The Wounded Kings, Witch Charmer oder auch Pyre of the Earth. In der Regel sind diese Heiligen etwas launisch, aber niedlich, weiblich und nahbar. Die im letzten Herbst für Gruppenkopf Sophie Day rekrutierte Siân Greenaway war eine Bühnenqueen, geschmeidig wie eine Raubkatze, verrucht wie eine Schamanin. Sie trug lange Haare mit Sidecut, war mit barocken Rundungen gesegnet und in eine Glockenhose im Leopardenlook gekleidet. Ihre Stimme war Samt und Seide. Im Unterschied zur glamourösen Frau wirkten die Männer introvertiert, Sophs Gatte Dave Day sogar wie ein Zauberer der stillen, feinen Töne. Und trotzdem harmonierte alles wunderbar, wirkten Alunah technisch perfekt abgestimmt. Was für ein Sinnesrausch! Mit einem verführerischen Weib, ihrem esoterisch-okkulten Doom Rock mit der Natur als Inhalt sowie manischen Bewegungen, zelebrierten die Mondanfleher aus UK ihre Ode an die emotionale Kraft und Schönheit des traditionellen Doom (die mehr als nur eine Ansage an Stilikone Jex Thoth war). Nur zwei Makel hemmten die Katharsis: die Räumlichkeit und die kurze Spielzeit, die durch den verspäteten Beginn und einen Umbau nach High Reeper weiter rasiert wurde, und dazu führte, daß Alunah drei ihren neun Lieder strichen. Trotzdem waren Alunah für mich die Besten aller Zeiten bislang in der Chemo überhaupt.
Die zusätzlich Angeheuerten und zum Hauptakt beförderten FREEDOM HAWK aus Virginia Beach (ursprünglich waren dies Alunah!), kamen wie ihre Nachbarn von der Atlantikküste Amerikas mit einer turbulenten, atemlosen, jedoch etwas pfiffigeren Performanz, einem Fronter, der glockenhell sang wie Ozzy und dabei aussah wie ein cooler Beachboy (respektive der Zwilling von Scott Hill von Fu Manchu), mit viel frischem Wind und schwer angestonertem Heavy Rock. T.R. Morton und Komplizen gefielen mir um Welten besser als High Reeper, sie hatten mehr Esprit als das Gros der Stilart, aber an Alunah reichte heute nichts ran. Nach einer halben Stunde habe ich mich mit Frau Peanut verdrückt.
 
 
Heiliger Vitus, 11. Mai 2018
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
HIGH REEPER
(21.10-21.49)
Chrome Hammer
Die Slow
Rest unbekannt
 
ALUNAH
(22.22-22.56)
Intro: The Dying Soil
1. Light of Winter
2. Fire of Thornborough Henge
3. Petrichor
4. Awn
Belial´s Fjord
5. Feast of Torches
6. White Hoarhound
Heavy Bough
A Forest
 
FREEDOM HAWK
(23.24-XXX)
1. Executioner
2. Radar
3. Coming After You
4. Blood Red Sky
5. Lost in Space
6. Waterfall
7. Solid Gold
8. Palomino
9. Indian Summer