EXODUS, ACCU§ER
D-Frankfurt am Main, Zoom - 23. August 2016
Früher war alles einfach, es war schwer, und es gab bösen alten Heavy Metal. Doch dann kam 1981 etwas in der Bucht um San Francisco und Oakland auf. Pickelige Langhaarige, die wenig vom ewigen Sonnenschein der Westküste der USA hielten und lieber Punk, Motörhead und Britenmetall frönten, entfachten ein ganz neues Schnellfeuer, quirliger und aggressiver als alles je zuvor: den Thrash Metal. Es war die junge Gruppe Metallica, die den ersten Plattenvertrag ergatterte. Zeitgleich (oder sogar davor, hier streiten die Geister) entstanden Exodus. Da Exodus derb, chaotisch und schwierig waren, blieb ihnen der Weg in die „Big Four“ jedoch verwehrt. Nach dem ersten Album mußte Sirene Paul Baloff durch Steve Souza ersetzt werden. Baloff kehrte in den Neunzigern zurück. Aber da war es schon zu spät. Die Zeit ging ohne Exodus weiter. Paul starb 2002 mit 41 Jahren. Doch für manche sind Exodus authentischer und besser als Metallica, Slayer, Anthrax und Megadeth zusammen! Zu den zehn Allzeit-Trash-Metal-Alben zählt Exodus´ 'Bonded by Blood' aus dem Jahre 1985! Oh, die alten Tage... Es war die Zeit, in der Metal noch Metal und Thrash noch Thrash war, als man Jeans knalleng und Schuhe knöchelhoch trug, als man noch Kassetten aufnahm, Platten und die ersten CDs kaufte, die man dann bis zur Auswendigkeit hörte (so viele gab es ja nicht), und dazu besessen den Kopf rotierte... Es war eine geile Zeit, und ich bin verdammt stolz, die 80er Metalgeneration mitererlebt zu haben. Genauso stolz bin ich auf die Eintrittskarte von 1997 zur Stadthalle Offenbach mit einem Zeichen von Paul Baloff. Der Filzer war verschlissen, aber für ein Autogramm reichte er gerade noch. Fast zwanzig Jahre ist das her. Die Erinnerung ist fragmentarisch. Richtig komisch wird einem da. Paul liegt schon lange unter der Erde... 14 Jahre danach mischten die Gefährten dreihundert Anhänger der Frankfurter Klubszene auf. Gleich unten am Eingang zum „Zoom“ kam es für Frau Peanut und mich zu einem überraschenden Wiedersehen mit Gerre von Tankard. Der Sänger sorgte sich gleich doppelt um unser Befinden: „Alles gut?“ Wirklich? Alles?... Gerre und Tankard wären mit ihrer langen Geschichte seit 1982 auch ein perfekter Vortrupp für Exodus gewesen!
Auf alle Fälle wurde es heute Nacht sehr nostalgisch im Zoom. Denn auch die Groove-Thrasher ACCU§ER gibt es schon seit 1986. Zumindest war mit Vokalist, Sechssaiter und Ziegenbartträger Thoms noch einer von damals dabei. Wir hatten Glück, denn die Westfalen starteten eine Viertelstunde vorm offiziellen Beginn durch. Allerdings waren Accu$er anfangs noch recht mild unterwegs. Auch die psychopatisch aufgerissenen Pupillen und der aus der Mottenkiste gekramte Speedster „Repent“ wollten nicht zünden. Doch als sich Thoms, Rybakowski, Kimpel und Fechner mehr und mehr als gleichgesinnte Metalfans entpuppten, artete die Stimmung der Meute schier aus. Die Protagonisten tranken Bier und stießen sich die Fäuste mit der Frontreihe. Schnelle, scharfe Apparillos paarten sich mit fliegenden Schöpfen und geerdeter Echtheit. Es war weder zu laut und zu leise sowieso nicht. Das war definitiv von Metalheads für Metalheads gemacht - und sogar zugänglicher und verdaulicher als dies und jenes von den Helden aus Kalifornien. „Torn to Pieces“ trat das Speed-Pedal final noch mal bis zum Anschlag durch... bevor ein grundsympathisches „Vielen Dank, tschüs und viel Spaß mit Exodus!“ den Gig beschloß. Unentwegt gereckte Teufelshörner zeugten davon, daß er einfach klasse war!
Apropos... Good, friendly, violent fun: Für EXODUS endete heute die Europa-Attacke zum 'Blood In, Blood Out'-Langeisen. 25 Nächte in zehn Ländern. Wer glaubte, die Amis seien ausgelaugt und verbraucht, sah sich genauso getäuscht wie derjenige, der sich einen großen Knall im Finale erhoffte. Getreu des Live-Werks von 1991 ließen es Steve „Zetro“ Souza, Lee Altus, Jack Gibson und Tom Hunting ganz ungeschminkt gut und freundlich, jedoch nicht allzu gewalttätig krachen. Den zu Slayer abgewanderten Leitgitarristen Gary Holt ersetzten Exodus durch einen gewissen Kragen Lum. Keinen Deut vom Standard wich indes die Setliste ab. Ebensowenig die Ansagen, allen voran die abgewichste Zuneigung für Germany, die Huldigung eines Fans aus Brasilien, und die dem Ahnvater Lemmy gewidmete „Lesson in Violence“. Vielleicht hätten Exodus über ihren Schatten springen, und anstelle ihres eigenen Klassikers einen Motörheadbanger ins Himmelreich senden können. Doch genug gemault: Exodus lieferten Nostalgie im raserisch-sarkastischen Metalstil, im steten Wechsel aus Alt und Neu. Knallharte Rhythmik, schrille Trossen, mords Bässe, der roh herausgekrächzte Sprechgesang (denn singen kann der Souza gar nicht): Exodus waren ein Auftritt wie ein Arschtritt. Wobei mir ausgerechnet die rostigen Granaten von 'Bonded by Blood - auf denen Zetro fehlte! - die schwersten Gänsehautattacken abtrotzten. Wer bei Tutorials in blutiger Wildheit wie „And Then There Were None“, „Piranha“, „Exodus“, „A Lesson in Violence“, „Bonded by Blood“ oder auch „The Toxic Waltz“ nicht bedingunglos headbangte, konnte einem bloß leid tun. Da für Exodus und uns die Zeit stehen geblieben ist, ärgerte es auch wenig angesichts der vielen verpaßten Konzerte. Wie auf dem Debüt von 1984 setzte der Speedster „Strike of the Beast“ nach knapp anderthalb Stunden den Fangschuß. „Thank you, Frankfurt! And remember: METAL FOREVER!“, lautete Zetros zum Abschiedsgruß.
 
Die Nacht endete für Peanut und mich genau so freundlich, wie sie die ganz Zeit lang war: Erst mit einem persönlichen „Tschüs“ im Treppenhaus durch die Klubchefin. Und dann mit einem letzten Schluck auf der lauschigen Straßenterrasse vom „Nachtleben“ mitten im Zentrum von Frankfurt am Main.
 
 
Heiliger Vitus, 24. August 2016
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
ACCU§ER
(20.46-21.33)
Intro
1. Rotting From Within
2. Repent
3. Unreal Perception
4. Who Dominates Who
5. Symbol of Hate
6. Unbekannt
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7. Sadistic Terror
8. Torn to Pieces
 
EXODUS
(22.02-23.28)
Intro (Gitarrensolo)
1. The Ballad of Leonard and Charles
2. Blood In, Blood Out
3. Scar Spangled Banner
4. And Then There Were None
5. Children of a Worthless God
6. Piranha
7. Deranged
8. Exodus
9. Body Harvest
10. A Lesson in Violence
11. Blacklist
12. War is My Shepherd
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13. Bonded by Blood
14. The Toxic Waltz
15. Strike of the Beast