DOOM OVER EDINBURGH
 
THE PROPHECY, OMMADON, AYE-AYE, IN ABSENCE
GB-Edinburgh, Bannermans - 14. März 2015
Prolog
 
Edinburgh, Schottland, 2014. Ein vom grünen Inselparadies der Azoren stammender junger Mann namens Miguel Santos hatte einen Traum: zusammen mit seiner Partnerin Andreia Pereira in der Wahlheimat ein Doom-Metal-Festival aufziehen. Im November 2014 war das Unternehmen geritzt. Als Schauplatz für DOOM OVER EDINBURGH war ein Raum der Rockbar „Bannermans“ in der Altstadt angemietet. Offiziell faßte der wegen seiner Höhlenform auch „Underworld“ genannte Ort 175 Personen. Doch da andere Organisatoren warnten, daß es bei 150 schon eng „wie unter Sardinen“ sei, wurden die Teilnehmer auf 150 limitiert. Für einen Zwei-Tage-Pass mit Festivalshirt waren 25 Pfund (35 Euro) zu überweisen. Der Eintritt allein kostete 16 Pfund (22 Euro). Ursprünglich waren zehn Gruppen benannt. Ende Januar 2015 sagte jedoch der Hauptakt SOLSTICE wegen Erkrankung in der Familie ab. Als Notnagel für die Epic-Legende aus England wurden gleich zwei Gruppen rekrutiert. Damit stand das Drehbuch mit vier Gruppen in der ersten und sieben Gruppen in der zweiten Nacht fest. Sieben kamen aus Schottland, vier aus England. Die Finanzierung wurde nur durch den Eintritt und Shirtumsätze gestemmt. Am Ende schrieben die idealistischen Macher rote Zahlen... Denn auch auf der britischen Insel scheint der Doom bereits ausgeblutet zu sein. Andererseits hatte man im Bannerman den Untergrund ganz für sich...
 
Nach Schwierigkeiten bei der Organisation der Reise ergab sich Anfang Februar für Frau Peanut plötzlich die Möglichkeit, übers Netz passend zum Flug ein günstiges Hotel zu buchen. Nachdem sich alle anderen Planungen für den Frühling in Luft aufgelöst hatten, war der Weg nach Edinburgh frei. Zwei Tage, elf Gruppen, der Pilotcharakter der Veranstaltung: Da konnten wir nicht nein sagen!
 
Donnerstag, 12. März
 
Morgens halb acht ging unsere Reise nördlich vor Frankfurt los... und fünf Stunden später betraten wir auf dem Flughafen Edinburgh zum erstenmal schottischen Boden. Dort war die Glocke um eine Stunde auf 11 Uhr 20 Ortszeit zurückzudrehen. Was auf dem Festland trist begann, setzte sich im Norden Britanniens fort: Edinburgh lag unter einer grauen Nebelglocke, und mit Werten knapp über Null war es auch wesentlich kälter. Es begann zu regnen. Doch dem Auge öffneten sich schöne Aussichten: Edinburgh war von wallenden Hügeln umringt, uralte Mauern säumten den Weg in die Stadt. Hier erzählten Fassaden Geschichten von deren Bewohnern: von Hexenverbrennungen, öffentlichen Erhängungen, Hinrichtung wegen Blasphemie oder dem Mord am jungen Italiener Ludovico, der sich als Straßenkünstler mit weißen Mäusen verdingte - und dessen Fluch immer noch über dem Grassmarket liegt. Ein düsteres Gemäuer drängte sich ans andere. Dazwischen standen Keltenkreuze. Castle, Gassen und Gewölbe verströmten eine schaurige Stimmung und flehten regelrecht um Doom! Andererseits stöckelten unverschämt vollbusige Ladys über die Bordsteine. Menschen trugen blaues Haar. Nur die legendären Kilts machten sich rar. Unser Hotel inmitten der Altstadt fügte sich extravagant in die South Bridge ein: Der Empfang war im vierten, die Bar im dritten Stock untergebracht, und direkt unter der Brücke befand sich in der Cowgate 212 das „Bannermans“. Sobald wir den Weg durch ein Labyrinth an Korridoren gefunden hatten, brauchten wir von unserem Zimmer nur fünf Treppen runter, dann rechts - und wir standen mitten im Doom! Heute gab sich indes schwedischer Hardrock in Gestalt von ECLIPSE und REACH die Ehre. Bannermans Bar entpuppte sich als mittelalterliches Gewölbe mit Milieu. Alle umstehenden Gemäuer der engen, steilen Niddry Street dienten ehemals als Lager für Lederhändler. Der letzte Inhaber starb Ende des 19. Jahrhunderts mit 3343 Pfund in der Tasche. Heute ist das Bannermans Edinburghs führende Lokation in Sachen Undergroundmusic. Auch Wino war schon hier. Mit dem schottischen Naturell (stolz, grob, ungeschminkt) hatten wir uns schnell angefreundet. Nicht indes mit der Sprache, die eher nach Isländisch als Englisch klang. Vom „Bannermans“ führte uns der Clubguide noch zur Musikkneipe „The Tron“. Dort gastierte der Volksmusiker GRAEME E. PEARSON auf. Endstation war die Hotelbar, wo ich mich mit meiner teutonischen Doomfrau jeden Abend an Whisky wärmte. Ob cremig, rauchig oder torfig: Wir haben sie alle verkostet - die Farben vom schottischen Gold. Im Originalland! Und aus einer Originalquelle!
Frightday, 13. März
 
Der Tag startete mit einem Lauf zur hoch über der Stadt thronenden Festung. Nach einem Streifzug durch die Altstadt und über einen keltischen Gottesacker, landeten wir am Nachmittag in einer Schänke auf dem Grassmarket, wo wir „Haggis“ verputzten (Schafsgrütze, klassische schottische Angelegenheit). P. frug sich, ob die Schotten wegen ihrer überwiegend breiförmigen Verpflegung schlechte oder gar keine Zähne hätten... Frisch aufgewärmt ging´s darauf wieder unter die Brücke zu den Bannermans. Dort gab sich der Blues ein Stelldichein. Und ich erfuhr, daß der Cocktail „Orange Goblin“ (Jägermeister, Cointreau, Brause und Orange) nach den Rockern aus London benannt ist (und nicht umgekehrt). Der Bericht ist hier zu finden:
...... Homesick Aldo, The Draynes, Rome, Monticule
 
Sonnabend, 14. März (1. Tag)
 
Während meine Freundin am Mittag noch mal allein den Vulkanfelsen hinauf zur alten Burg lief, begann der große Tag für mich mit einem Termin bei „Spacey´s Bizarre Ink“, wo John mir eine Sonne unter die Haut stach. Damit war das Doom Over Odinburg für immer verewigt! Und ich lernte, daß Engländer „rude and arrogant“ sind. Was ein echter Schotte ist, zeigte sich in der Cowgate, wo hunderte Hartgesottene bei sechs Grad Außentemperatur in einem Biergarten die Übertragung des Rugby-Spiels Schottland gegen England verfolgten. - Punkt acht Uhr abends waren wir zum Ereignis hinabgestiegen, wo wir erstmals auf das Veranstalterpärchen trafen. Miguel und Andreia waren angenehm zurückgenommen, wie man es von Portugiesen kennt. Wir durften unsere Eintrittsbändchen selbst anlegen, ließen es der Ehre halber aber vom Chef persönlich machen. Und wir mußten uns kräftig die Augen reiben. Denn der Austragungsort gab sich nicht als die befürchtete Sardinenbüchse, sondern füllte sich mit hundert Anhängern nur locker auf. Kein Vergleich mit dem Metal-Fossil Sacrilege, das vor einer Woche vor vier (!) Piepel rappeln mußte. Miguel gab uns ein „Enjoy!“ mit auf den Weg. „Enjoy!“ hörten wir danach an allen Ecken und Enden.
Halb neun Schottischer Zeit war Götterdämmerung. Mit dem Bekenntnis „We like the dark“ und dem Lied „Marked at Birth“ leiteten die Lokalmatadore IN ABSENCE die neue Festivalserie ein. Saraei, Clifford, Turner und Cairney hinterließen ein gespaltenes Gefühl. Auf der einen Seite bestachen In Absence mit der superben Leitgitarre von Miss Clifford (die leider ihre Stimme nicht fand und im dunklen Winkel der Bühne etwas unterging). Anderseits hatten sie in Saraei einen richtigen Sänger (dem es aber noch an Charisma fehlte). Als Gesamteindruck blieben teils treibende, teils traurige Gitarren, eine klare, melodische Singstimme, und viel Ehrlichkeit und Hingabe. Kurz: schöner Doom, der sich mit seinem einfachen Wesen und einem Schimmer Folklore zwischen Prog und Epic bewegte.
AYE-AYE waren als letzte Gruppe für Doom Over Edinburgh verpflichtet worden. Und sie kamen nicht aus dem nahen Glasgow, sondern von Madagaskar, wo ihre namensgebenden Lemuren-Affen daheim sind. Mac, Spawn und Del spielten Doom Metal der alten Schule mit einem tiefgestimmten Sechssaiter, klarem Gesang und philosophischem Unterbau. Doom, der etwas Mahnendes hatte. Wie etwa den Aufruf „Keep our planet alive!“ Richtige Gänsehaut setzte es ziemlich am Ende durch das Lied „Stardust“, welches der Frontmann einem gestorbenen Freund weihte. „Stardust“ besteht aus einem ganz schlichten Text und einer ewiglich hingezauberten Melodie, die einen nicht mehr losläßt. „Stardust“ sorgte auch für die emotionalsten Momente des Abends! Außerdem strahlte Mac die Seele eines gewissen Herrn Fopp aus. Es menschelte! Aye-Aye waren Stoff zum Nachdenken!
Mit den manischen Drone-Doom-Freigeistern OMMADON aus Glasgow kamen die ersten Nachrücker für Solstice. Ommadon waren nach dem bösen roten Zauberer aus dem Science-Fiction-Film „The Flight Of Dragon“ benannt, in dem die Welt der Magie im Sterben liegt, und das Schwache gegen das Starke kämpft. Auf Ommadon lagen große Erwartungen. Zum 87minütigen Doppelschlag 'V' hatten P. und ich zuhause etliche Rituale abgehalten. Die Ausrichtung war vergleichbar mit Bunkur oder Malasangre. Im Klartext: sehr speziell, und bei Ommadon auch völlig frei von gesprochenen Botschaften aus dem Jenseits. Ab 22 Uhr 15 standen Ommadon leibhaftig vor uns, und die dicken Mauern des Bannerman, in denen sogar der Mobilfunk versagte, begannen nun zu vibrieren. Nachdem Ewan Mackenzie per Keyboards das transzendentale Klangfeld angestoßen hatte - um sich danach hinter den Trommeln zu verschanzen, feuerte David Tobin unter ekstatischen Verbiegungen ein Gitarrentorpedo nach dem anderen ab. Ommadon baten auf eine Seelenreise - und ich ging mit. Ommadon zelebrierten natürlich nur eine Parabel, eine von fünfundzwanzig Minuten. Sie war die reinste Heilung, und danach hätte ich auch gehen können.
Mit THE PROPHECY stand kurz nach elf eine der aktuellen Lieblingsgruppen des Ausrichters auf der Bühne - die sich demzufolge mit einem donnernden Dank an Miguel revanchierte. Mit 14 Jahren Bandgeschichte und vier Studioalben waren die vier aus Yorkshire das Großkaliber des Festivals, und durch den Ausfall von Solstice zum Hauptakt des ersten Tages aufgestiegen. The Prophecy zeigten sich mit gepflegten Langhaarfrisuren und Bärten uniform in glatten, schwarzen Bühnenklamotten. Was sich optisch andeutete, bestätigte sich in Aktion. Gleich mit ihrem Auftakt „Salvation“ blieben die Engländer etwas poliert, etwas gerissen, und das änderte sich auch nicht bis zum Schluß. Matt Lawsons sirenenhaftes Organ kämpfte mit martialischen Maiden-Posen gegen ein schier unschlagbares Stahlgewitter an. Dabei spielten The Prophecy wirklich brillant, aber es war weder der prophezeite Death noch Prog Doom, sondern melodischer Death Metal, den sie lieferten. So endete kurz vor der Geisterstunde das erste Kapitel von Doom Over Edinburgh mit einer leichten Abweichung von der Linie.
 
Doomy night, Odinburg............
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
IN ABSENCE
(20.26-21.04)
1. Marked at Birth
2. Mirrored Coffins
3. In the Grand Scheme of Vast Emptiness
 
AYE-AYE
(21.20-21.55)
1. Men Are Ugly
2. Closer Than Mars
3. Unrepentant
4. Stardust
5. Procrastinated
 
OMMADON
(22.15-22.40)
1. V2
 
THE PROPHECY
(23.07-23.50)
1. Salvation
weitere Titel unbekannt
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((((((Heiliger Vitus)))))), 24. März 2015