DEBRIS INC., ALIX
D-Frankfurt am Main, Nachtleben - 5. September 2003
Vor zwei Tagen in Würzburg hatte Dave Chandler eine böse Ahnung - die sich heute in Frankfurt tragisch bestätigte. Hurrikan „Katrina“ hatte Louisiana erreicht, und Chandlers Verlobte einen Hilferuf abgesetzt, der die brutale Wirklichkeit zu Debris Inc.s verwüstender Musik lieferte: Chandlers vor zwei Monaten frisch bezogenes Haus in New Orleans war in den Fluten versunken, das Wasser stand bis unters Dach... Entsprechend verzweifelt, ohnmächtig und am Boden zerstört war Dave. Der Schlagzeuger sagte mir lediglich, daß er allein sein wollte und in der Stadt was trinken sei. Ich machte mir Sorgen; Der alte Chandler streifte allein durch Frankfurts Straßen - direkt gegenüber das Rotlichviertel... Ich suchte gerade das Klo auf, als sich jemand unverkennbar krächzend beim Türsteher zurückmeldete... Unter den fünfzig im Keller weilten Ex-Doomschreiberling Müller, die Metalbraut mit dem arschlangen Blondschopf, „Nodeoman“ Alex, und - nach langer Abstinenz - der blonde Recke El Hulle, der heute seinen Fünfunddreißigsten feierte. Auch mein Freund vom Jugendhaus Hausen war gekommen. Unerwartet! Jochen hatte gehadert, er sähe nach einem Fahrradsturz „so scheiße aus, daß er zwei Wochen nicht mehr unter Leute könne.“ Aber nachts sind alle Katzen grau... Wiedersehensfreude auch mit den Leuten von Alix. Bassist Franco verglich mich mit Wino... Und dann kam Chandler an die Bar. Der Mann, der für Saint Vitus so gut wie alles verfaßte. Was da in einem vorgeht... Ich hatte Dave ein Jersey meines Vereins Dynamo Dresden mit dem Namen „Vitus“ mitgebracht. Dave revanchierte sich mit doppelten Wodka-Cokes auf Eis. (Gewisse Bandmitglieder hatten hingegen den Aufputscher Speed wiederentdeckt.) Nach verlegenem Gläserrücken war ein Prozeß in Gang gesetzt, der nicht mehr anzuhalten war.
ALIX im Wunderland die Zweite. Italiens neue Stonerhelden erlebte ich zusammen mit Chandler an der Bar. Wie in Würzburg versanken Gitarrist Pippo, Basser Franco und Trommler Andrea mit „Like a Flood“ ohne zu fackeln in zugedopten Fuzz-Wällen und tonnenweise Wüstensand. Anders als vor zwei Tagen ließ auch Frontfrau und Namensgeberin Ali(x)ce heute von Anfang an den Grund in dunklem Moll scheinen. Das Rudel aus Bologna spielte das gleiche Programm, ohne Liste aus ihren „Minds“ heraus. Das Ganze war nur um zwei Lieder erweitert, weil Frankfurt ihnen mit einer Stunde die doppelte Spieldauer zugestand. Darunter befand sich auch ein völlig entrückt hallender, bekiffter Reggae, der auch die Seele von Bob Marley erfreut haben dürfte. Im Übrigen war das wieder ein Feuerwerk an dunklen Stonerrockern, das obendrein vom Schellenkranz der zauberhaften Alice bezirzt wurde. Frankfurt feierte Alix ab, und ein gigantisches Gewitter aus Siebzigerjahre-Psych beschloß diesen erneut großen Auftritt von Alix. - - In der Pause erfolgte weiteres Vernichten von Wodka und Bier. Debris-Gründer Holzner gesellte sich an die Bar. Ich bat Ron um den Vitus-Song „Patra“. Der fand die Idee interessant, schüttelte aber letztlich den Kopf, weil kein Mensch der Welt „Patra“ so eindringlich zelebriert wie Wino.
Um 22.40 Uhr wurde der Keller wieder verdunkelt. Holzner und „Speedy Gonzalez“ Vasquez nahmen ihre Stellungen ein. Chandler erschien. Dieser Bastard aus Charles Bukowski und Jimi Hendrix, die Kultfigur des Doom! Mit Dynamo-Jersey auf dem Leib (und dabei war das doch gar nicht so gewollt)!! „My name is Katrina!“: Voller Sarkasmus hatte Chandler die Meute begrüßt, und in dieser abstrusen Lage mit „Fuckin´ Mess“ den ersten vertonten Wutausbruch draufgesetzt. Laut war sie aufgeheult, die schwarze Gibson mit den vier weißen ´V`. Jener legendäre Sechssaiter, der heute grimmig-kruden DEBRIS INC.-Doompunk verbrach. Das war fast so was wie eine Befreiung von Katrina. Nun konnte es nur eins geben: Sturm an die Front, niederknieen, veitstanzen und singen im Staub vor Gott. Nach zig „Fuck!“s und „Asshole!“s und einer Achterbahn durch Punk ( „Fuckin´ Mess“ und „Full of Shit“ ), Doom ( „Pain“ ) und Hardcore ( „You´re the Reason I´m Medicated“ ), folgte mit dem wenig optimistischen „Dying Inside“ die erste Ode an Saint Vitus. Aus Veitstanz wurde für mich nun Am-Boden-Wälzen. Und nur dank Peanut weiß ich um das Geschehen hinter mir: Chandler war durch ein Meer von Headbangern spaziert, hatte Leute mitsingen lassen und mit dem Kabel fast mein Mädel umgerissen. Aber selbst das fulminante „Shut up“ konnte mich nun nicht mehr hochreissen. Es wäre auch sinnlos gewesen. Folgte doch mit „The Old Man and His Bong“ auf den Fuß der nächste gnadenlose Abdoomer. Bevor schließlich zur Mitternacht das Lied erklang, auf das alle gewartet hatten. Der Trost für alle nicht für diese Welt Gemachten. Der Abgesang auf Regeln und Konventionen. Zelebriert vom Meister selbst. Saint Vitus´ „Born too Late“! Ich konnte den magischen Moment in Pixel bannen, als Dave mit den Zähnen über die Saiten seiner Liebsten glitt. Im Licht löste sich alles auf. Hulle plünderte mit mir noch den Andenkenstand. Von den Helden blieb keine Spur. Aber wer wollte schon in deren Haut stecken...?
 
Doom-Hilfswerk
Wer den notleidenden Chandlers helfen will, kann das über Managerin Carol Quayle tun (einzige Möglichkeit, da selbst Daves Hausbank vom Hurrikan zerstört wurde):
>> debris[at]rock.com
 
 
Heiliger Vitus, 13. September 2005
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
ALIX
(21.10-22.10)
1. Lika a Flood
2. Spirit
3. I´ll Be Gone
4. Ground
5. Fun
6. Take My Hands
7. Lonely
8. Love
9. Out of the Sighs
 
DEBRIS INC.
(22.40-0.15)
1. Fuckin´ Mess
2. F.O.S. (Full of Shit)
3. Too Many Mushrooms on My Pizza
4. Pain
5. You´re the Reason I´m Medicated
6. Dying Inside [Saint Vitus]
7. Shut Up
8. The Old Man and His Bong
9. I Feel Like Shit Again
10. The Ballad of Debris
******
11. Saint-Vitus-Medley
12. Born too Late [Saint Vitus]
******
13. The Nightmare