DEAD MOON, THE STRUGGS
D-Frankfurt am Main, Nachtleben - 10. Oktober 2006
Nicht zugeknallt, nicht beschwipst, geschweige völlig klar im Kopf: Kann man so zu Dead Moon gehen? Eigentlich undenkbar! Man sollte es aber, will man drei Wochen später einen guten Marathon laufen. Und warum geht man überhaupt erst hin? Weil die Tradition es will: Einmal im Jahr muß man zur Kultkommune aus Oregon pilgern. Peanut tut´s seit 1990, seit Moon nach Deutschland kommen. - Vierzehn Euro mußte der Mondsüchtige heute zahlen. Und dies nicht wie geplant in der berühmten Konzerthalle „Batschkapp“, sondern im Mauseloch „Nachtleben“, in das das Konzert zwei Tage zuvor wegen schwacher Vorverkaufszahlen verlagert wurde. Zweihundert Leute zwischen zwanzig und fünfzig, vom tätowierten Hardrockproll bis zum lichtbehaarten Quartalsirren, hatten es ordentlich gefüllt. Völlig überraschend ging´s pünktlich um neun Uhr los.
In Manier der Ramones hatten sich Zue Rewolution Strugg, Joe Strugg und Gerome Strugg ein „The“ vors Pseudonym gesetzt - und schon war ein Name zur Gruppe erfunden. Mit dem Unterschied, daß THE STRUGGS - nicht wie es die Namen vermuten lassen - aus USA sondern aus Frankfurt und Friedberg kamen. Und wenn man sich schon mal amerikanisch gibt, wieso nicht auch gleich die Ansagen auf Englisch? „Hello! We are The Struggs! Do you like Rock`n´roll? Do you like Sex?“ Zu dritt standen die Gäste der Moons auf den Brettern, und mit nur einer Gitarre, Gesang und Schlagzeug beschränkten sie sich ebenso aufs Notwendige. Zu hören gab´s einen Mix aus Cramps (Psychobilly), Lombego Surfers (Surf), Cash (Country) und Rev. Vince Anderson (Gospel). „Primitive Garage Gospel“ nannten sie dieses Gebräu, das mich kaltließ, aber immer wieder mit diversen Vorwörtern gewürzt wurde. Mal standen „The Struggs“ vor uns, dann „Theee Struggs“ und ein andermal „Thu Struggs“... Und weil The Struggs „cross-born“ sind, gab es einen Gospelsong durch „Real gospel healing you! performed by Zue Strugg“. Titel: „Talking to No One“. Wenngleich etwas stumpf, so war der Auftritt zumindest ehrlicher und - einige deplazierte Elektro-Noise-Effekte untern Tisch gekehrt - handgemachter Natur. Die Glanzlichter setzten der final und sehr eindringlich gemachte „Viet Nam War Blues“ und die Zugaben „Hide and Go Seek“ sowie der schwer christliche „Holiness Dance“. Nach 45 Minuten war´s ausgerockt.
 
Daß Rauchen nicht nur den Konsumenten selber schadet, daß es stinkt und andere nervt, konnte einen der Publikums-Stinker nicht abschrecken, mich mit „Wer hat hier Knoblauch gegessen?“ anzumachen. Daß auch Andrew L. nicht gerade einem gesunden Lebenswandel frönt, weiß man nicht erst seit vielen Moon-Besuchen. Heute lümmelte er aber nicht gleich mit einer ganzen Flasche Wodka an der Bar, nein, heute begnügte sich Andrew mit ´nem Kurzen und einem vitaminhaltigen Longdrink!
Gitarre aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrtausends, Baß vom Flohmarkt, zwei kratzig wimmernde Whiskeyröhren, dazu ein vierteiliges, verfilztes Schrottkonstrukt genannt Schlagzeug: das war die Ausrüstung von DEAD MOON. Mit diesem zarten Nichts zelebrierten die Totalverweigerer von der Tombstone-Farm (Altersdurchschnitt: 54) auch anno 2006 ihren Abgesang auf den technischen Fortschritt. In diesem Jahr 68 mal in 15 Ländern. Nach Dresden und einem Ruhetag war Frankfurt die 44. Etappe auf dem Moonschen Marathon rund um den Globus. Die Strapazen und wilden Orgien waren unverkennbar. Ausgelaugt und verbraucht wirkten Andrew, Fred und die im reifen Alter noch immer aphrodisierende Toody. 22.15 Uhr standen die Amis auf der Bühne - die Köpfe über der Kerze zusammengesteckt, sich in diesem magischen Kreis um die staubigen Trommeln die Hand reichend, und einen stillen Schlachtruf zuraunend: es war alles so wie immer beim eröffnenden Ritual. Doch spätestens bei AC/DCs „It´s a Long Way“ war klar, daß der Totenmond heute etwas fahler schien. Vielleicht war´s die Abschiebung ins kleine, enge „Nachtleben“. Vielleicht hatte Andrew keine Latte in die Milch bekommen. War´s das fehlende Nass für seine Trommel (und damit die fehlenden Fontänen)? War ein Bazillus schuld, daß die in einer roten Cowboyjacke steckende Toody ihre Schreie nicht fand? Oder der fehlende Hut bei Fred? Jedenfalls verstrichen Lichtjahre - bis zum Punkrocker „Johnny´s Got a Gun“ - bis die drei aufblühten, um doch noch alle Register zu ziehen. Denn mit Hymnen an glückliche Verlierer wie „Poor Born“ und „It´s O.K.“, dazu einer finsteren Warnung wie „Play with Fire“, rumpelten nun Meilesteine des Undergroundgaragepsychotrash durch den Keller. Von hier an wurde alles gut, und ein vehement nach vorn krachendes Teil wie der „54/40 or Fight“ und der von Fred inbrünstig hingeblueste „Dagger Moon“ haben final nicht nur die Lady hinterm Plattenstand kräftig die Glieder schütteln lassen. Den Höhepunkt gab´s ganz am Schluß - mit dem Totenkopf- und Mondsichelgruß „Dead Moon Night“! Für uns zugleich das Zeichen zu gehen. Allzu arg litt ich unter Luftnot in der verrauchten Höhle unter der Konstablerwache. Um elf sind wir ohne Zugabe weg - hinein in eine Nacht mit vollem orangen Erdtrabant am Himmel...
 
... und dem Schock eine Weile später: Gleich nach der Heimkehr aus Europa, und nachdem sie alle Auftritte in den USA abgesagt hatten, gab Fred Cole auf der Netzseite von Moon Folgendes bekannt: “Nach 20 Jahren treten Dead Moon nun in den Ruhestand. Es war eine Reise, die wir immer wertschätzen werden und wir freuen uns, daß an ihre Stelle eine weltweit agierende Familie getreten ist. Dead Moon ist zu einem Do It Yourself-Underground-Thema geworden, das viel größer ist als die eigentliche Band, und das vielen Menschen sehr viel bedeutet. Die Kerze brennt weiter.“
 

 

Heiliger Vitus, Freitag, den 13. Oktober 2006
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
THE STRUGGS
(21.04-21.49)
1. Cant´t Find Love
2. A Lot of Wind
3. I Don´t Love You
4. Cocaine Blues
5. Talking to No One
6. Four Daughters
7. Running Around
8. Nitroglycerine
9. You Got Shoes
10. Please Give Me Something
11. Daft Punk
12. Viet Nam War Blues
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13. Hide and Go Seek
14. Holiness Dance
 
DEAD MOON
(22.15-??.??)
1. Psychodelic Nightmare
2. 13 Going on 21
3. Destination X
4. It´s a Long Way to the Top (AC/DC)
5. Diamonds in the Rough
6. Fire in the Western World
7. I Won´t Be the One
8. Walking on My Grave
9. Johnny´s Got a Gun / 10. Spectacle
11. Poor Born /
12. It´s OK
13. Play With Fire
14. 54/40 or Fight
15. Running Out of Time
16. 40 Miles of Bad Road
17. Dagger Moon /
18. D.O.A.
19. Dead Moon Night