DEAD MOON, SLOW DEATH
D-Dresden, Star Club - 12. Mai 2004
Der Kult geht, der Kult kommt: Auch 2004 waren Toody und Fred Cole mit Trommler Andrew Loomis über die Nordhalbkugel geflogen, um in der Alten Welt zwei Monate lang gemeinsam Schnaps und Bourbon zu trinken und Garagen-Rock in die Klubs zu prügeln. Beim Ritual in Dresden waren wieder zwei Mondjünger aus dem Westen Deutschlands mit dabei: Peanut & Vitus. Halb neun trafen wir im Star-Club ein. Jener Lokation, die schon Legende unter den Klubs im Lande ist - der aber zum Zehnjährigen das Wasser bis zum Hals steht. Keine Besucher, kein Geld und viele unbezahlte Rechnungen... Weil noch Zeit war, schlenderten wir ins „Briesnitzer Stübchen“... und staunten nicht schlecht, daß der Eine bereits die Stellung am Tresen hielt - Augen wie Feuerbälle und mit Sachsenbier den Tourkater vertreibend: Andrew Loomis. Außer dessen ergrauender Mähne war alles wie immer. Ich hatte Plattenhüllen mitgebracht. Andrew signierte sie mit Engelsgeduld und einer Anektode zu jeder inklusive. Nachdem der Verdruß über ein zerfetztes Drumfell gekillt war (es kostete Andrew fünfzig Euro), und nach einer letzten Pulle Kräutersaft - wackelte der Bursche dann gegen neun rüber zum Star-Club. Wir folgten... und trafen bei der Ankunft auf die beiden anderen von Moon: Toody und Fred. Nachdem wir auch deren Autogramme samt Andenkenbild zu fünft ergattert hatten, versank alles in Bedeutungslosigkeit...
SLOW DEATH waren „froh, für Moon eröffnen zu dürfen“. Und sie konnten vermelden, daß die Idole „auch schon gut drauf sind“. Unterdes es nun weder Doom noch Death gab, wie der Name vielleicht vermuten ließ. Nein, Basshole, Spacke, Dirk und Gero lieferten Garagenpunk, hübsch abgehenden Gitarrenpogo im Ramones-Stil. Ein Remake von ebenjenen - „Born to Die in Berlin“ - machte den Anfang. Drei Eigenkreationen in punkrockiger Kürze folgten. Danach der namensgebende „Slow Death“, sowie eins für schlechte Verlierer namens „Sore Loser“. In „Orange Utan“ ging es dann nicht um die Primaten mit den mächtigen Bäuchen. Nein! Aber um was es ging, wagten sich die Dresdner auch nicht zu sagen... „Anale Grande“ indes war kein Geheimnis: Es handelte von einem großen Arschloch. Am Ende zauberten Slow Death zwei weitere Cover aus dem Hut: Fuzztones „Cinderella“ und „Kick Out the Jams“ von MC5. Kurz nach zehn besiegelten die vier ihr treibendes Stirb-langsam mit den Worten: „Danke, das war´s. Gleich kommen Dead Moon!“
Halb elf erschienen DEAD MOON im Dämmerlicht. Andrew war es, der die vierhundert Anhänger mit einer wilden Trommelattacke zum Tanz lud. Und alles war beim Alten, alles wie es immer war. Auch im siebzehnten Jahr ihrer Existenz pfiffen die Amis auf Zeitgeist und Regeln. Mit ihrer neuen Platte 'Dead Ahead' machten sie schön schrägen, puristisch düsteren, laut dröhnenden Garagenrock - gegen den Strom, gegen die Welt, strikt in Mono und wie stets in abgewetzter schwarzer Kluft. Mit einer alten Schepperausrüstung, die auf jeden Leiterwagen paßt. Fred kauzte, krächzte und wimmerte mit seiner Frau Toody die Alpträume seiner Jugend bis zur Gegenwart ins Mikro. Mit „54/40 or Fight“ und „Running Out of Time“ wurden zwei Altigkeiten entstaubt. Toody sang, Fred entflammte rituell die in der Whiskeyflasche steckende Kerze. Schweiß floß in Strömen. Ich trug Wasser nach vorne, damit Andrew seine berühmten Trommelgeysire inszenieren konnte. Doch der hatte heute keine Lust auf feuchte Orgien. Dafür floß an der Bar Staro und Felsenkeller. Moon kredenzten die Hymne „One World“ und es gab ans Herz gewachsenen Kult wie „It´s O.K.“ Mit dem furiosen Überrocker „Dead Moon Night“ verabschiedeten sich Moon für eine Kippe... und dann nahmen sie mit einer rotzigen Version von AC/DCs „It´s a Long Way to the Top“ die Minuten vor Mitternacht in Angriff. Ich strebte mal an die Front, um die Glieder zu schütteln. Doch es wurde gefährlich: Vorn flogen die Fetzen und der naßgeschwitzte, promilleschwere Andrew kickte die Pauke in die Meute. Es folgte noch ein Päuschen und zur Geisterstunde sang Toody mit zerbrechlicher Reibeisenstimme „In the Waiting“. Der Mond erlosch heute nach 95 Minuten in Cashs Feuerring „Ring of Fire“. Früher als gewohnt, nicht so mystisch wie gewohnt. Aber es war - OK.
v.o.n.u.:
 
Vitus, Peanut, Fred & Toody
 
Vitus & Andrew
 
Starclub-Impression
 
Für einen schien der Mond noch sehr lang und überaus hell. „Moskovskaya“ wollte er haben. Schnurstraks nach der Schau. An der Bar. Nicht ein Glas. Oh, nein: die ganze Flasche! Andrew bekam sie, stürzte ein Viertel auf Ex, und flirtete fortan mit der Bardame. Um eins gesellte sich die 56 Lenze junge Toody hinzu. Auch jene ließ ein Becherlein vom russischen Wässerchen durch die Kehle rinnen. Einzig der von zwei Dutzend Anhängern eingekesselte Fred übte weise Zurückhaltung. Ich selbst lag mittendrin, und plapperte mit dem spindeldürren Gitarristen von Slow Death. Der wiederum offenbarte sich als Marathonfreak. Zu später Stunde fegte ein Star-Club-Mann die Scherben weg, und ein Jüngling mit arschlangem Blondschopf wollte mich noch auf eine Spritztour zur Neustädter Metalkneipe „Heavy Duty“ entführen... entschied sich dann aber auf dem Vorplatz eine dicke Diwotschka zu bumsen. Gegen drei Uhr erreichte ich mit Peanut per Droschke unser Quartier im Lockwitzgrund. Nachti, Dresden!
 
 

Heiliger Vitus, 1. Juni 2004, Bilder: Vitus & Peanut
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
SLOW DEATH
(21.30-22.12)
1. Born to Die in Berlin [Ramones]
2. Dick Johnson
3. One for the Cow
4. Sure Snuff´n Yes I Do
5. The Sound I Make
6. Slow Death
7. Sore Loser
8. Orange Utan
9. Anale Grande
10. Cinderella [Fuzztones]
11. Kick Out the Jams [MC5]
 
DEAD MOON
(22.30-0.05 / evtl. nicht ganz richtig...)
1. Diamonds In The Rough
2. Dawning of The Dead
3. Running Out Of Time
4. Rescue
5. One World
6. 54/40
7. It's OK
8. Dagger Moon
9. The 99's
10. Dead Moon Night
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11. It's a Long Way to the Top [AC/DC]
12. In the Waiting
13. Ring of Fire [Johnny Cash]