BOLT THROWER, BENEDICTION, DISBELIEF, FLESHCRAWL
D-Frankfurt am Main, Batschkapp - 15. Januar 2002
Frankfurt-Rödelheim, Dienstagmorgen (6.20 Uhr), noch stockfinsterste Dunkelheit. Ich todmüde, doch das Tagwerk rief. Mit Koffein künstlich aufgeputscht, kreuzte auf dem Weg zur Arbeit im 34er Bus ein gewisser Gerre meinen Weg. Jawoll, der Gerre, der Sturmtank der Thrashhelden Tankard und einer meiner wenigen Freunde im Westen. Gerre war sturzbetrunken und mit Kuchenkrümeln übersät. Rufpflege nennt man das! - - ...... Am selben Abend, Frankfurt-Eschersheim (20.00 Uhr), wieder Dunkelheit. Und wieder stieß ich auf Gerre. Diesmal in der berühmten Krachhalle der Stadt. Nun war Gerre nüchtern - und ich daneben. Death-Metal-Time! 'Ground Assault Tour'! Peanut hielt ihre Hände schützend über mich. Mit etwas über vierhundert Besuchern gähnte uns die „Kapp“ schwarz und regelrecht leer und still entgegen.
 
Der Start mußte zur ungewöhnlichen Zeit von 19 Uhr erfolgt sein. Die für ihr Langeisen 'Soulskinner' mit guten Wertungen bedachte, „beste schwedische Death-Metal-Band aus Deutschland“ - FLESHCRAWL - hatten wir verpaßt. Sie schienen allerdings recht gut gewesen zu sein, die Ulmer. Die Meute zeigte sich reichlich verschwitzt, was auf ausgiebiges Rotieren der Schädel schließen ließ. Und noch eine Enttäuschung: Die Klubbesitzer hatten die Währungsumstellung ausgenutzt, und den Preis für den halben Liter Bier gleich von 6 Mark auf 3 „Euro“ 50 erhöht.
 
Manchmal ist es besser, möglichst wenig über eine Gruppe zu wissen. Denn wer sich unvoreingenommen auf eine Sache einläßt, wird nicht enttäuscht. DISBELIEF, Deutschlands vermeintliche Speerspitze im Extreme Death Metal, hatte ich vor fast genau drei Jahren in der Hafenbahn Offenbach erlebt, als sie für Bolt Thrower, Crowbar und Totenmond eröffneten. Die Nacht ist nur noch blasse Erinnerung... Und da ich auch keinen Tonträger vom Quintett aus Darmstadt-Dieburgf besaß, wußte ich nicht, was mich erwartet. Disbelief schwankten dann etwas unentschlossen zwischen mahlendem Gegrunze und bösem Gesang hin und her. Kritisch gesehen war ihr Auftritt und Ausblick auf das Album 'Shine' eine ziemlich diffuse Irrfahrt im Dunst von Death und Goth. Es fehlte der rote Faden und der Biß. Zumindest in meinen Augen konnte der Trupp um Karsten „Jagger“ Jäger die Erwartungen nicht so recht erfüllen. Zum Überdeather braucht es mehr als lange Haare und große Bärte.
 
Es folgten BENEDICTION aus Englands Metalhauptstadt Birmingham. Benediction existieren seit 1989. In ihrer Frühzeit durfte ich die Sensenmänner aus UK mehrmals im legendären Frankfurter Untergrundklub „Negativ“ bestaunen. Benediction waren im Death Metal mal eine große Nummer. Doch diese Zeiten sind vorbei, und von der früheren Truppe sind nur die Gitarristen Rewinski und Brookes noch dabei. Der aktuelle, kahlköpfige Vokalist Dave Hunt verkörperte eine Bulldogge - eigentlich eine Fehlbesetzung für den Fronter einer Death-Metal-Band. Wie treffend waren dagegen die Vorgänger Greenway und Ingram. Doch die röcheln jetzt bei Napalm Death und Bolt Thrower. Auch wenn den Veteranen eingebettet im Mittelteil der Ruhm ein wenig abging: Benediction schwangen mit ihrem „Subconscious Terror“ und dem Neuwerk 'Organized Chaos' den Vorschlaghammer sehr derb, waren (und sind) fleischgewordene Zotigkeit, primitiver, höhlenmenschartiger Death Metal wie er heute kaum noch zu finden ist. Wie Kreator vor einer Woche in Offenbach, schickten auch die Tommys dem im Dezember gestorbenen Schuldiner einen posthumen Totenkult zum Himmel. Es hätte „Forget in Fire“ sein können - die Entscheidung fiel aber auf „Pull the Plug“. Zudem war das Stück sehr drucklos gemacht. Aber ich will nicht maulen. Benediction waren jene Krieger, denen man noch sehr nachtrauern wird, Relikte einer untergegangenen Zeit!
Nebel, Flakscheinwerfer und bedrohlich anschwellender Krach signalisierten die Könige des Death Metal. BOLT THROWER rollten an, die Endzeit aus ihren Geschützen zu prügeln. Das Kommando um die langlodigen Gitarrenmänner Baz Thomson und Gavin Ward sowie Walküre Jo Bench am Baß, zählte Ende der Achtziger bis Anfang der Neunziger zu meinen absoluten Helden. Eine Tätowierung hält für immer als Bekenntnis zur Gruppe her. Diesjahr wurde zwei Neue in deren Reihen aufgenommen. Trommler Martin Kearns und Vokalist Dave Ingram brachten nicht nur junges Blut, sondern auch ein Dilemma mit sich. Trauere ich doch ein wenig dem charismatisch-heiseren Organ von Ursänger Karl Willets nach. Egal! Der erste Hieb auf die Trossen machte vieles vergessen. Bolt Thrower ließen neue Waffen klirren. Hochgeschwindigkeitsteile aus 'Mercenary' und 'Honour-Valour-Pride' eröffneten das Feuer... und wie vor anderthalb Dekaden schossen die fünf in Tarnkluft Steckenden auch heute alles Wegverperrende rigoros weg. Keine Spur von Rost an der Armbrust! Die Altigkeiten aus 'Realm of Chaos' und 'War Master' ratterten durch die Speaker. Da waren sie, die mächtigen Tiefsequenzen, die einen niederstrecken, und die kreischenden Riffs, die einen im nächsten Moment wieder hochreissen. Schwere Donnerbolzen rauschten durch die Kapp, es rotierten die Propeller aus langen Haaren, Lebensmüde hechteten durch die Luft mitten in die Meute. Und im Finale ging´s richtig zur Sache. Wer bei Stahlgewittern wie „Cenotaph“ und „World Eater“ nicht bis zur totalen Erschöpfung den Schädel schüttelt, ist kein Metalhead. Dank des frühen Beginns konnte ich bis zum Ende durchhalten. Es war geil wie einst im Negativ. Ein letzter Kanonenschlag, ein letzter Feuerball, ein letztes „Hooray!“, und ein letzter Schluck im rammelvollen „Elfer“ besiegelten die Nacht. Neben zertümmerten Hirnzellen mußte ich mich noch Tage danach mit heftigen Nackenschmerzen herumschlagen. Doch wie hatten´s Bolt Thrower ausgerufen? „No guts, no glory!“
 
 
Heiliger Vitus, 16. Januar 2002
Bild: Da in der Batschkapp Fotografieren verboten war, eins von der Bolt-Thrower-Seite
.:: ABSPIELLISTEN ::.
 
BENEDICTION
1. Agonised
2. Stigmata
3. Subconscious Terror
4. Shadow World
5. Charon
6. Suicide Rebellion
7. The Grotesque
8. Nightfear
9. Dark Is the Season
10. I
11. Pull the Plug [Death]
 
BOLT THROWER
(ohne Gewähr)
1. Contact - Wait Out
2. When Glory Beckons
3. Silent Demise
4. Inside the Wire
5. The IVth Crusade
6. Forever Fallen
7. Honour
8. Laid to Waste
9. Pride
10. Mercenary
11. To the Last
12. ...For Victory
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13. World Eater
14. Cenotaph
15. Powder Burns