ALIEN SEX FIEND, SHADE FACTORY
D-Frankfurt am Main, Batschkapp - 30. Juli 2012
Nach Jahren der Abstinenz (bei mir zweieinhalb, bei meiner Adjutantin fast fünf Jahre), hatte uns eine der Heldengruppen der Achtziger in die geächtete und geschätzte Batschkapp gelockt. Die Gothpunker Alien Sex Fiend gaben sich dreimal in Deutschland die Ehre, final in Frankfurt. 44 Euro wurden uns für zwei Online-Tickets abgebucht. Als Gegenleistung gab´s die Erinnerung im Geiste und einen Stempel auf die Hand. Während unserer Abwesenheit hatte sich die „Kapp“ das Ambiente einer Opera verpaßt: Von der Decke baumelten Kronleuchter und die Wände waren mit gerahmten Plakaten und schweren Vorhängen geschmückt. Für den neuen Glanz mußte der Gast wenig feierliche vier Euro (8 Mark!) fürs Bier abdrücken, welches wie ehedem in Turbomanier von der Flasche in Plastebecher umgefüllt wurde (diesmal u.a. von einer Feministin mit Dauergrinsen im Gesicht). Schön dumm, wer sich da nicht zuhause stumilierte... Die Besucherzahl schätze ich auf vierhundert: fast ausverkauft. Einer sollte im Verlauf noch direkt vor die Bar kotzen.
Der Vortrupp hatte Schlag acht begonnen. Eine Ostdeutsche auf der Jagd nach den verlorenen Achtzigern berichtete mir, daß die SHADE FACTORY eine „Ein-Mann-Band war, die Elektro-Disko, wie sie modern ist, gemacht hat“. „Es war mit Gesang und ganz okay.“ Bei unserem Erscheinen um 20.30 Uhr war der Performist - ein bärtiger Finne in Militär-Optik namens Timo Väänänen - gerade mit dem Abbau seines Equipments beschäftigt. Man blickte in freudig erregte Gesichter ringsum...
ALIEN SEX FIEND hatten wir vor genau 15 Jahren am selben Ort erlebt. Schon damals, 1997, zählten sie zu den Legenden im Untergrund. Viele waren noch gar nicht am Start, als ASF 1982 die Szene mit ebenso absonderlichen wie radikalen Outfits erstmals aufmischten. Während manch´ ein Anbeter von einst schon lange unter der Erde liegt, feierte das Ehepaar Nikolas „Nik Fiend“ (Gesang) und Chris „Mrs. Fiend“ Wade (Keyboards) mit einigen Denkpausen 2012 seinen 30sten in den Klubs dieser Welt. Unterstützt wurden sie heute von zwei namenlosen Kreaturen mit Sechssaiter und Synthesizer. Das sah dann so aus, daß die Bühne vollständig unter einer schwarz-weißen Optik aus Spinnweben, Totenköpfen, Nebel und geschändeten Gummipuppen lag. Dazwischen gaben sich eine Dame mit Struwwelpeterfrisur und kleinem Schwarzen und drei mit weißer Schminke und Kajal getarnte Herren ein Stelldichein, zwei davon trugen Glatze, zwei weiße Kittel voller Blut, einer glich dem Nosferatu. Zur Unzeit von 21.12 Uhr erfolgte der Auftakt. Glocken läuteten drei neuere Nummern mit Hang zum Elektro ein (Peanut fühlte sich an Feindflug erinnert) - bevor es durch „Smells Like...“ zum ersten Tanztempelknaller kam. Im Gegensatz zur gleichzeitig daheim in London ausgetragenen (und konsequent ignorierten) Sommerolympiade, gaben sich die Fiends zynisch fröstelnd. „Shit!“ und „Fuck!“ bildeten das verbale Gerippe, dazwischen entführten sie uns auf eine zweistündige (!) Geisterbahnfahrt aus hypnotischem Wave, schaurigem Goth und treibendem Punk. Mal saß Mr. Fiend wie einer unter den vielen mißbrauchten Puppen traumverloren auf einer Mülltonne, mal hielt er einen bizarren Monolog mit einem Totenschädel, dann wieder schrie er mit kauzig kalter Stimme ins Mikro - um darauf als Nekrophiler über die Bretter zu staksen. Der Rest war allenfalls optische Zierde, und der Schrank hinter der zweiten Orgel trat nur am Ende kurz ins Licht. In einem Mix aus Groteske, Absurdem und kaltem Grausen, zelebrierten die Engländer zwei Stunden puren Kult. Das im Kriechtempo gebrachte „I Walk the Line“, der Ohrwurm „Trip to the Moon“ und „Ignore the Machine“ waren final noch mal die Auferstehung alter Tage durch das Original höchstpersönlich. 23.08 Uhr war Sense. Um es mit dem Kredo der Fiends zu sagen (der ziert mein Shirt): LIVE FAST DIE YOUNG AND HAVE A GOOD LOOKING CORPSE...
 
 

Heiliger Vitus, 1. August 2012
.:: ABSPIELLISTE ALIEN SEX FIEND ::.
(ohne Gewähr)
1. Land of the Living Dead
2. Get Into It
3. Now I'm Feeling Zombiefied
4. Smells Like...
5. R.I.P. - Blue Crumb Truck
6. I Walk the Line
7. Clockwork Banana
8. Bun Ho!
9. E.S.T. - Trip to the Moon
10. Ignore the Machine
11. They Call Me Crazy